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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
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Schnürstiefeletten und zog sie an. Sie ging ins Bad und schminkte sich. Die Haare band sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zurück, bis auf einige Strähnen, die sie in die Stirn fallen ließ. Aus ihrem Schmucksortiment suchte sie ein filigranes silbernes Ohrgehänge heraus, das sie am rechten Ohr befestigte. Sie holte ihre Handtasche, verließ die Wohnung und fuhr mit dem Aufzug nach unten. Vor der geschlossenen Eingangstür des Forchetta blieb sie kurz stehen. Aus dem Lokal drang Gelächter und Stimmengewirr. Sicher waren sie jetzt beim Dessert. Oder vielleicht sogar schon bei caffe und digestivo, dem traditionellen Ausklang jeden italienischen Menüs. Johanna fiel ein, daß Fabio ihr nicht gesagt hatte, was es heute abend als Hauptgang gab. Es würde jedenfalls wie immer exquisit sein. Eine Sekunde lang überlegte sie, ob sie hineingehen und rasch einen Bissen essen sollte. Er hob ihr immer etwas auf, ob sie nun kam oder nicht. Vielleicht hätte er auch Lust, mitzukommen, dorthin, wo sie auf ihre Weise von Klingenberg Abschied nehmen wollte. Sie verharrte eine Weile, mit nachdenklich schiefgelegtem Kopf. Dann stieg sie in den Bankwagen und startete den Motor.
    Sie fuhr zum >Fantasy-Garden<. An der Bar bestellte sie einen Velvet und trank ihn in langsamen Schlucken. Ein paar Typen kamen und probierten es bei ihr, manche nett, andere plump. Jedesmal schüttelte sie den Kopf, daß ihr Pferdeschwanz flog. Sie trank einen weiteren alkoholfreien Cocktail, schloß konzentriert die Augen und ließ die dröhnende Techno-Musik auf sich wirken. Neonblitze und zuckendes Laserlicht sickerten durch ihre Lider. Nach einer Weile ging sie allein auf die Tanzfläche, bewegte sich mit zurückgeworfenem Kopf im Takt der hämmernden Rhythmen. Sie dachte an Harald Klingenberg und tanzte, als gäbe es kein Morgen.

    Die Beisetzung fand zwei Wochen später statt, am ersten Sonntag im September. Die Sommerhitze hatte den August überdauert und lastete immer noch schwer über der Stadt.
    Die Kapelle und später das Grabfeld auf dem Frankfurter Hauptfriedhof waren schwarz von Menschen. Klingenberg hatte keine engen Angehörigen mehr gehabt, die eine Beerdigung im kleinen Kreise hätten anordnen können. Seine Frau und sein Kind waren vor ihm gestorben. Er hinterließ weder Geschwister noch Eltern. Der einzige Verwandte, sein Cousin Wiking, hatte für die Gestaltung dieses Tages weder Kosten noch Mühen gescheut. Nach seiner Vorstellung konnten gar nicht genug Leute erscheinen, um dem Verblichenen des letzte Geleit zu geben. Für Wiking stellte dieses Ereignis weniger ein Abschiednehmen als eine Inthronisation dar. Seine Inthronisation. Wiking war sowohl im Wege der Erbfolge als auch nach dem Inhalt der Gesellschaftsverträge durch den Tod Klingenbergs Hauptaktionär der Bank geworden. Bisher hatte er sich in der Bank noch nicht blicken lassen, aber alle wußten, daß er nicht mehr lange damit warten würde. Etliche Direktoren und auch zwei oder drei der Geschäftsführer fürchteten diesen Tag. Einige von ihnen, die Klingenberg in besonderer Loyalität verbunden gewesen waren, packten bereits ihre Sachen. Sie wußten ohne jeden Zweifel, daß ihre Tage in der Bank gezählt waren. Wiking hatte keine Verwendung mehr für sie. Er war als machtbesessen bekannt. Als Vorstandsvorsitzender brauchte er Seilschaften, Wasserträger, die richtigen Leute an den richtigen Stellen, und er würde keine Probleme damit haben, die dafür erforderlichen personellen Umstrukturierungen durchzusetzen. Die Anteile, die ihm schon vor dem Tod Klingenbergs gehört hatten, sicherten ihm zusammen mit dem, was er nun dazubekommen hatte, eine komfortable Mehrheit in den Entscheidungsgremien der Bank.
    Wiking hatte nicht die geringste Familienähnlichkeit mit seinem verstorbenen Cousin. Er war fünfundfünfzig, sieben Jahre älter als Klingenberg, ein großer, breitschultriger, leicht übergewichtiger Mann mit rötlichem Backenbart und seitlich gescheitelten, rotblonden Haaren. Nicht nur sein Name, auch seine Erscheinung hatten ihm in Bankkreisen den Spitznamen Wikinger eingetragen. Mit seiner tapsigen, bärenhaft plumpen Gestalt wirkte er nicht wie ein Bankier. Man konnte ihn sich eher als Kapitän eines Seelenverkäufers vorstellen.
    Er stand an der Stirnseite des Grabes, neben dem Erdaushub, nahm die Beileidsbekundungen der vorbeidefilierenden Trauergäste entgegen, schüttelte Hände, murmelte Dankesworte und vergewisserte sich mit mehreren Seitenblicken, daß hinter
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