Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
Vom Netzwerk:
die Reste ihres Brotes auf der Dachterrasse an die Tauben, die zwischen den Pflanzkübeln pickten.
    An der von Pfählen gestützten Holzpergola über einem Teil der Terrasse rankten Efeu und wilder Wein. Johanna ging zu der Balustrade, beugte sich vor und schaute nach unten. Vor dem Haus waren alle Gästeparkplätze des Forchetta belegt. Das Lokal hatte achtundzwanzig Plätze, die jeden Abend ausgebucht waren. Fabio zelebrierte in diesem Augenblick wahrscheinlich bereits die Antipasti.
    Sie legte den Kopf zurück und betrachtete den Himmel, der sich hinter der Silhouette der Wolkenkratzer von der untergehenden Sonne grauviolett färbte. Der Wind kam aus der Innenstadt, brachte die Gerüche und Geräusche des Abends mit sich. Von Zeit zu Zeit war aus der Ferne der Widerhall eines Martinshorns zu hören. Über Frankfurt lastete seit Tagen eine Dunstglocke. Die Behörden hatten am Nachmittag Ozonalarm gegeben. Die Infarkte und Kreislaufzusammenbrüche in der Stadt häuften sich. Johanna ging zurück ins Wohnzimmer. Es war eher ein Saal, ein quadratischer, fast achtzig Quadratmeter großer, nahezu leerer Raum mit weißgestrichenen Wänden, auf dessen Parkett die Schritte hallende Geräusche verursachten. Er wirkte kahl, wie ein unbenutztes Museum. Es hatte einmal mehr Möbel gegeben, hauptsächlich antike Stücke, aber bis auf eine chinesische Lacktruhe, ein paar weniger wertvolle Teppiche und eine futuristische kobaltblaue Lederliege war alles verwertbare Mobiliar verschwunden. Genauso wie die Bilder, die Teppiche und die Skulpturen. Stück für Stück, eines nach dem anderen, herausgebissen wie aus einem Kuchen und verschlungen. Porzellan und Gläser standen in Kisten verpackt in den Ecken. Die Bücher stapelten sich an der Wand. Alles in Auflösung begriffen, wie ihre Ehe.
    Sie legte sich auf die Liege und starrte auf die leere Stelle an der Wand über dem Kaminsims, wo der Modigliani gehangen hatte. Sie überlegte, wo das Bild jetzt sein mochte. Leo war ein begabter Händler, nicht nur an der Börse. Er hatte für alle Wertgegenstände seine speziellen Abnehmer, ganz egal, ob es sich dabei um einen gebrauchten Ferrari oder einen gebrauchten Modigliani handelte. Er würde auch für seine gebrauchte Frau jemanden finden, wenn er nur Kapital daraus schlagen konnte.
    Johanna schloß die Augen und sah Harald Klingenberg vor sich. Er war ein Mann gewesen, der jeden Raum beherrscht hatte, sobald er ihn betrat, nicht nur kraft seiner Kompetenz, sondern auch durch seine Erscheinung. Er war ausgesprochen attraktiv gewesen, auf eine strenge, asketische Weise gutaussehend. Volles dunkles Haar, ergrauende Schläfen. Groß, elegant, selbstsicher. Nur im Tod hatte er seltsam klein und zerbrochen gewirkt. Zerbrochene Fiedel. Etwas in der Art hatte in seinem Abschiedsbrief gestanden. Was, zum Teufel, sollte das heißen?
    Klingenberg hatte Musik gemocht. Nicht nur Klassik, sondern auch Pop. Sie erinnerte sich, wie er von Woodstock erzählt hatte. Er war dabeigewesen. Dreck und Dope und Liebe, alles unter einem grenzenlos freien amerikanischen Himmel. Lind Musik. Drei Tage lang, nonstop. Wenn es das noch einmal gibt, gehe ich wieder hin und nehme dich mit, hatte er gesagt. Dann tanzen wir beide zusammen, wie ich es damals tat, so als ob es kein Morgen gibt.
    Es hatte ein zweites Woodstock gegeben, aber sein Versprechen war in Terminen erstickt, und Woodstock blieb ein unwiederholbarer Traum aus seiner Jugend.
    Johanna drehte das Radio an. Ein Song von ZZ Top, sinnigerweise Penthouse Eyes. Sie ging hinüber ins Schlafzimmer. Der Crash-Mini von Issey Miyake lag noch auf dem Fußboden. Sie streifte ihn über und betrachtete sich im Spiegel. Das Kleid ließ viel von ihren schlanken, gebräunten Beinen unbedeckt. Es war ärmellos und von schlichter, zeitloser Schönheit. Das Überbleibsel einer unerfreulichen Zusammenkunft.
    Aus dem Wohnzimmer klangen die letzten Takte von Penthouse Eyes. Johanna drehte sich zur Seite, das Kleid schwang mit, eine silberblaue Kaskade. Die versenkten Halogenstrahler an den Wänden lockten schimmernde, ineinanderübergehende Farbtöne aus dem kunstvoll geknitterten Seidenmaterial. Sie lächelte, halb trotzig, halb spöttisch. Silber, Saphir, Seide. Leos Lyrik entsprach seiner Auffassung vom wirklichen Wert der Dinge. Sie pries die Farben des Geldes.
    Johanna wollte das Kleid wieder ausziehen, besann sich dann aber anders. Aus dem Wandschrank holte sie ein Paar schmal geschnittene, knöchelhohe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher