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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
Autoren: René Zeyer
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Analystenteams, die Tag und Nacht und vorausschauend die Börsenentwicklung analysieren, durch Supercomputer mit Superprogrammen jagen und zu fast unfehlbaren Schlüssen kommen, richtig?«
    Kuster war sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob das Gespräch in die richtige Richtung lief, aber mehr als einen Schluck von seinem stillen Wasser nehmen konnte er im Moment auch nicht, außer: »Genau, Herr Steinfeld, das ist eben der Vorteil einer Privatbank, die auf das Backoffice eines Global Players zurückgreifen kann, allerdings.«
    »Schön«, sagte Steinfeld, »das ist wirklich großartig. Dann können Sie mir sicher erklären, wieso diese versammelten Nichtskönner, diese gehirnamputierten Kaffeesatzleser nicht mal in der Lage waren, den Zusammenbruch von Lehman, den Zusammenbruch von Merrill Lynch und den Fastbankrott von AIG auch nur um vierundzwanzig Stunden vorauszusehen, ganz zu schweigen von den Auswirkungen, die das auf den Aktienkurs einer schon vorher in Grund und Boden gewirtschafteten EBS haben würde. Sie können mir sicher auch erklären, wieso Ihr Analystenpack nur vor wenigen Wochen behauptete, dass die Aktie der EBS deutlich unterbewertet sei und man – lassen wir das ganze Juristengeschwafel beiseite – davon ausgehen könne, dass ein Kauf durchaus Sinn mache, da der Börsenkurs keineswegs den inneren Wert der Aktie, von zukünftigen Steigerungen ganz abgesehen, widerspiegle.«
    »Ähem«, sagte Kuster, »ich verstehe natürlich Ihren Ärger, aber …«
    »Nein, Herr Kuster«, unterbrach ihn Steinfeld immer noch schneidend leise, »den verstehen Sie nicht, denn Sie haben ja auf Anraten dieser Volltrottel nicht innert achtundvierzig Stunden vier Tonnen in den Sand gesetzt, Sie haben, mitsamt Ihrem Backoffice im Gegenteil an diesen Transaktionen eine nette Fee verdient, Sie persönlich haben damit Ihren Bonus erhöht, und wenn Sie nicht so dumm wie Ihre Schimpansen sind, denen man eine Krawatte umgebunden und vor Computerbildschirme gesetzt hat, haben Sie vielleicht sogar ein nettes Zubrot durch Leerverkäufe verdient.«
    »Das muss ich aufs Entschiedendste zurückweisen«, empörte sich Kuster künstlich, »uns Privat Bankern ist der Handel mit Aktien, die sich im Portefeuille unserer Kunden befinden, strikt …«
    »Verwechseln Sie mich doch nicht mit einem der aufgeblasenen Luftnummern, die sich Analysten nennen, weil sie beim Computer den Ein-Schalter bedienen können«, unterbrach ihn Steinfeld und steigerte langsam die Lautstärke, »entweder Sie machen das über einen Strohmann, oder Sie sind selbst ja noch vertrottelter, als ich dachte.«
    »Ich kann Ihnen nur empfehlen«, überhörte Kuster krampfhaft die Beleidigungen, »jetzt die Nerven zu bewahren und zu halten, das wird sich mittelfristig …«
    »Ich und viele Kleinaktionäre mit mir verlieren nicht die Nerven«, brüllte Steinfeld, »die Kursmassaker werden doch von institutionellen Anlegern veranstaltet, deren Analysten nichts anderes als Verkaufsorders in den Ring schmeißen, weil ihr Kurzzeitgedächtnis keine achtundvierzig Stunden zurückreicht, und wieso beherzigen die dann eigentlich nicht Ihren guten Ratschlag, jetzt zu halten? Können Sie mir das vielleicht erklären, Herr Kuster?«
    Kuster biss sich auf die Lippen, aber immerhin wusste er, wann er geschlagen war.
    »Nun, Herr Steinfeld«, sagte er matt, »mal ganz unter uns, das verstehe ich auch nicht, und wirklich im Vertrauen, von mir aus könnte man das Analystenpack auch zum Teufel jagen.« Da konnte sich Steinfeld ein anerkennendes Heben der Augenbraue nicht verkneifen, und für einen kurzen, seltenen und wertvollen Moment beherrschte tiefes Einverständnis den Raum.
Achtundachtzig
    Es sah sehr nach einem weiteren, ganz normalen Tag im Leben eines schwer arbeitenden Privatbankers aus. Kuster hatte auf seinem Blackberry kurz den Terminkalender abgefragt, während ihn das Taxi an den Hauptsitz an der Bahnhofstrasse kutschierte, denn er war immer noch nicht zu einer Entscheidung gekommen, ob er sich endlich den Porsche leisten sollte oder ob das ein falsches Signal wäre.
    Er hatte mit seinem Personal Trainer bereits die übliche Runde im verkehrsberuhigten Quartier an der Goldküste gedreht, dann hatte der Masseur eine leichte Verspannung im Nackenbereich gelöst, Kuster hatte den frisch gereinigten Brioni aus dem Schrank gezogen, ein dezentes Van-Laack-Hemd vom Bügel genommen, dazu einen unauffälligen Gürtel von Bally, schwarze Seidensocken, die Holzspanner aus den
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