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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat
Autoren: Anna Degen
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mit dem markanten Kinn wäre beinahe schon zu attraktiv gewesen, hätten nicht ein Paar zu groß geratene Ohren, die unter seinem kurz geschorenen blonden Haar besonders auffielen, das perfekte Bild gestört. Wenn er sich sehr konzentrierte, wie gerade jetzt, zog er an seinen Ohren, als wolle er sie weiter in die Länge ziehen.
    Er ging in die Knie, um den Toten noch genauer in Augenschein zu nehmen. Unter dessen Händen lugte etwas Helles hervor, offenbar ein Papier. Werner Sinz wartete ungeduldig darauf, dieses Papier herausziehen zu können.
    Â»Braucht ihr noch lang?«, murrte er die Fotografen an.
    Â»Nein, Chef, wir sind gleich fertig.«
    Am Rand der Lichtung stand, eingehüllt in eine Decke und mit einer dampfenden Tasse Kaffee in den klammen Händen, eine junge Frau in Joggingkleidung, durchnässt und frierend. Werner Sinz ging zu ihr hinüber.
    Â»Wir müssten Ihre Aussage noch zu Protokoll nehmen. Wann wäre es Ihnen denn möglich, zu uns auf die Dienststelle zu kommen?«
    Â»Ich hab heute frei, bei dem Mistwetter! Dabei wollte ich heute ein paar zusätzliche Trainingseinheiten für den Welterbelauf einlegen.«
    Im Vorfeld dieses alle zwei Jahre stattfindenden Laufereignisses rannte die halbe Bamberger Bevölkerung trainierend in der Gegend herum.
    Â»Dann würde ich Ihnen empfehlen, jetzt so schnell wie möglich in die heiße Badewanne zu steigen. Nicht, dass Sie uns noch eine Lungenentzündung bekommen. Wenn Sie dann so um zehn Uhr in die Schildstraße kommen könnten? Ich sag den Kollegen Bescheid.«
    Die Joggerin nickte niesend.
    Â»Und danke, dass Sie uns verständigt haben, trotz des scheußlichen Wetters.«
    Hinter seiner Schulter knurrte eine Stimme: »Was ist denn das für eine verdammte Bescherung?«
    Erstaunt sah Werner seinen Freund, Staatsanwalt Benno Berg, an: hängende Schultern, hängende Mundwinkel und tiefe Augenringe – das war absolut untypisch für Benno, der morgens normalerweise geradezu widerlich gut gelaunt auftrat.
    Â»Hey, was ist denn mit dir los? Ist das Gericht abgebrannt?«
    Â»Schön wär’s«, murmelte Benno. »Ich … also … Könnten wir … Wen haben wir denn da?«
    Â»Wissen wir noch nicht. Die Joggerin, die ich gerade verabschiedet habe, hat uns vorhin verständigt.«
    In diesem Moment erloschen die Scheinwerfer und das Glitzern der Regenschnüre. Das stumpfe frühe Tageslicht legte sich um die geschäftigen Menschen wie ein feuchter Mantel. Werner Sinz trat zu dem Toten und zog als Erstes den Zettel unter seinen Händen heraus. Kopfschüttelnd zeigte er ihn Benno.
    Â» LEBENSLANGES LEID DEM VERRÄTER «, stand da in ungelenken Buchstaben auf einem Papierstreifen, der sich in der Nässe zu wellen begann. Benno wollte nach dem Schriftstück greifen, aber Werner zog es zurück, steckte es in eine Plastiktüte und sagte: »Zieh erst Handschuhe an!«
    Benno stand offenbar wirklich ziemlich neben sich, wenn ihm so ein Fehler unterlief.
    Werner begann den Toten vorsichtig abzutasten. Aus seinen Hosentaschen fischte er einen Schlüsselbund und eine lederne Geldbörse.
    Â»Das ist aber nett von ihm«, murmelte er. »Hat alles bei sich.«
    In dem Geldbeutel befanden sich mehrere Kreditkarten, viertausend Euro und ein Ausweis. Danach hieß er Martin Kostner, war vierundzwanzig Jahre alt und wohnte in Bamberg, in der Wattstraße. Werner zeigte Benno die Geldscheine.
    Â»Ein Raubmord war es jedenfalls nicht«, konstatierte er lakonisch. »Aber sag mal, wer geht denn mit viertausend Euro in der Tasche nachts in den Hain, noch dazu bei diesem Wetter?«
    Â»Weiß ich nicht!« Benno war heute nicht sehr diskussionsfreudig. Er nahm sich, inzwischen mit Handschuhen versorgt, den Plastikbeutel mit dem Zettel. »Lebenslanges Leid dem Verräter«, murmelte er. »Was für ein melodramatischer Käse! Und dann diese Aufbahrung zu Füßen des Königs, mit gefalteten Händen! Was für ein krankes Hirn denkt sich denn so was aus? Verfluchter Scheißregen!« Er zog den Kragen seines Mantels zusammen. »Das sieht ja fast wie … na ja, wie eine Hinrichtung aus.« Er drehte den Beutel hin und her in dem schmalen Tageslicht, aber auf dem Zettel war sonst nichts zu sehen.
    Einer der Spurentechniker versuchte einen Scherz: »Vielleicht war’s ja ein fanatischer Verehrer des
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