Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Titel: Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
Vom Netzwerk:
Ecuador landeten die Artefakte eher auf dem Kaminsims eines Funktionärs oder im geheimen Kämmerlein eines ausländischen Sammlers als in der Museumsvitrine.
    U ns blieb bei so viel großmütterlichem Selbstbewusstsein der Lachanfall im Hals stecken. Wir fragten auch nicht mehr danach, ob sie 1.000 US$ für eine oder für beide zusammen haben wollte. Stattdessen übergaben wir ehrfürchtig und mit großer Vorsicht die antiken Schätze wieder in ihre Hände. Wir überlegten später, ob dies wohl der Grund war, warum in der näheren Umgebung auffallend teure Häuser standen? Wohnten hier Bauern mit landwirtschaftlichen Flächen, die alle eine staubige Bruchbude besaßen und an Touristen illegal Artefakte verhökerten?
    Wir wussten nicht, o b die gezeigten Dinge echt waren. Aber irgendwann würde irgendwer der Oma, vielleicht auch erst der Tochter oder Enkeltochter, diese kulturellen Schätze abkaufen. Bis dahin reichte der lange Atem der Oma ganz bestimmt. Auch ohne ihre Artefakte wirkte sie charmant.
    O der war sie gerade aufgrund derer so auffallend entspannt charmant?
     

Zumbahua – Bauernhof suhlende Schweine Lamas Markttag frierende Oma Singer- Nähmaschinen hohe Absätze Schlachtungen Devotionalien surfende Schweine
    L angsam verschwand die dieselgeschwängerte miefige Panamericana in unserem Rückspiegel. Die Landschaft vor uns erschien wieder erholsam, ruhig und sanft. Immer höher schraubten wir uns mit unserem Camper in diesen Teil der Anden in Richtung des Kratersees Quilotoa und des Dorfes Zumbahua.
    Wir folgten der Beschilderung eines Bauernhofs mit privaten Gästezimmern und bogen auf einen schmalen Pfad ab. Langsam schlichen wir entlang des abschüssigen Wegs zum Hof, um an dessen Ende die verwunderten aber herzlichen Besitzer Margarita und Marco kennenzulernen.
    Wieso wir uns Gedanken über d ie Breite unseres Campers auf ihrem Weg machten?, fragten sie uns. Der morgendliche Milchlaster fuhr blind die Strecke.
    Ja sicher, dachten wir wieder einmal. Der »blinde« Lastwagenfahrer war ja auch Ecuadorianer und sein Fahrzeug hatte schon vor Jahrzehnten die besten Zeiten hinter sich gelassen. Uns war eben beim Gedanke mulmig, nur auf einem Rad der Doppelbereifung zu fahren, während das andere in der Luft hing. Wahrscheinlich auch, weil wir noch nicht blind fuhren?
    Wir parkten unseren Camper auf ihrem Hof und durften für einige Nächte bleiben. Unsere direkte Nachbarschaft bestand aus großen Hofhunden, bebommelten Lamas, suhlenden Schweinen, schwarzbunten Milchkühen, aufgeplusterten Gänsen, scharrenden Hühnern und verspielten Kindern der Mitarbeiterfamilie. Alles war von wunderbaren Geräuschen erfüllt, die uns an die eigene Kindheit auf dem Bauernhof zurückdenken ließen.
    B ei Sonnenuntergang verstummten jedoch schlagartig alle Geräusche, um dann mit neuer Wucht um fünf Uhr morgens zu erwachen. Neben unserem Camper wurde die Melkmaschine angeschmissen, wie auch der Generator für die Wasserpumpe. Die metallischen Milchkannen klapperten. Und die ausgeschlafenen Hofhunde jagten den aufgeplusterten Gänsen hinterher. Wie der Gewinner dieser kleinen Auseinandersetzung hieß, war jedem klar, der die Hackordnung auf einem Bauernhof kannte.
    Abends wurden wir von unseren Gastgebern mit Leckereien wie Schaffleisch, Käse oder Joghurt verwöhnt. Lebensmittel, die sie organisch nannten, weil sie selbst herstellten wurden und es nie genügend Geld für Pestizide oder Herbizide gab. Außerdem waren sie von dieser Art der Herstellung überzeugt.
     
    An einem Samstag gehörten wir um fünf Uhr auch zu den Frühaufstehern. Wir stellten uns an die Straße nach Zumbahua und warteten keine fünf Minuten bis der erste private Pickup-Wagen anhielt. Wir kletterten auf die Ladefläche und kuschelten uns im kalten Morgenfahrtwind an die anderen Mitfahrer. Sie lächelten uns erheitert an. Es verirrten sich wenige weiße Ausländer in diese Gegend, geschweige denn auf ihre Ladeflächen. Eine alte Frau, deren Alter wir auf mindestens achtzig schätzten, kramte während der kalten Fahrt immer noch ein Schal hervor, den sie sich um ihre schmalen Schultern und ihren grünen Filzhut schlang. Sie wirkte trotz ihrer körperlichen Zierlichkeit nicht zerbrechlich. Ihr wettergegerbtes faltiges Gesicht und die muskulösen Hände erzählten von viel körperlicher Arbeit, die sie in ihrem langen Leben geleistet hatte.
    Bei zwölf Personen auf der Ladefläche und jeder Menge Gepäckstücke ließ der Fahrer schließlich weitere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher