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Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Titel: Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Anhalter am Straßenrand stehen und fuhr ohne weiteren Stopp zum Samstagsmarkt in der kleinen Örtschaft Zumbahua.
    Beim Aussteigen gab jeder dem Fahrer ein wenig Geld. Wir wollten danach gehen, als wir die kleine Oma immer noch auf der Ladefläche des Pickups stehen sahen. Nachdem sie zwar auf den Wagen klettern konnte, kam sie nun nicht mehr herunter. Ohne Worte hob ich – als große, blonde, weiße Frau – diese kleine, federleichte, indigene Oma in meinen Armen vom Auto. Während die Oma mich dankbar anstrahlte, brachte unser Anblick die Umherstehenden zum Lachen. Wir Frauen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Manchmal waren die großen Ausländer eben doch für etwas zu gebrauchen.
    Der frühe Morgen auf d em Markt versprühte eine ganz besondere Atmosphäre. Wir einzelnen ausländischen Touristen – zu dieser frühen Stunde sechs – hatten darauf keinen Einfluss. Unsere Anwesenheit ging unbemerkt unter. Über den verschiedenen Plätzen des Marktes hing eine geschäftige Stimmung, die jedoch keine Hektik verbreitete, eher eine stille Gelassenheit.
    Früh waren schon viele Menschen auf den Beinen. Die Besucher schienen genau zu wissen, was sie kaufen, verkaufen oder erledigen wollten. Unterschiedlichste Waren und Dienstleistungen wurden auf den staubigen Lehmböden, auf Wiesen, Dorfplätzen und Straßen angeboten. Eines verband alle miteinander: die ungewöhnliche Ruhe. Selbst auf dem Tiermarkt warfen sich die Käufer und Verkäufer nur knappe Wortfetzen zu, ohne laut zu werden. Erstaunt schauten wir zu, wie schnell und unkompliziert die Besitzer ihre Tiere gegen Geld wechselten. Die Idylle wurde nur von einem quiekenden Schwein am Seil unterbrochen, welches nach seinem Verkauf die anderen Ferkel nicht kampflos verlassen wollte. Zwei schön gekleidete Frauen mühten sich mit vereinten Kräften ab, unter dem Gelächter der Anderen, das hysterische Schwein zu bändigen.
    Auf dem Schlachtplatz standen die wartenden angepflockten Schafe und schauten zu, wie ihren Artgenossen das Fell über die Ohren gezogen wurde. Denn dort, wo mit Tieren gehandelt wird, darf auch der Sensemann nicht fehlen.
    Der Sensemann , beziehungsweise die Sensefrau, tötete für alle Kaufinteressierten öffentlich und sichtbar unter einem Bretterdach. Sie stach unaufgeregt die Tiere mit dem Messer ab, räumte systematisch die ausgebluteten Schafe aus und zerteilte das aufgehängte Tier in verkaufsfertige Stücke. Eine andere Geschäftsfrau kaufte zeitgleich die anfallenden Schaffelle auf und trug sie fleischlos an den letzten wartenden Schafen vorbei. So reduzierte sich die Anzahl der angepflockten Schafe rings um die Schlachterin im Laufe des Tages auf null. Nur der schwere Geruch der warmen Innereien und des Blutes erinnerte am Ende des Tages an die Tier.
    Der wöchentliche Markttag barg für die Einheimischen die Möglichkeit alle Besorgungen zu erledigen und Abwechslung zum Alltag zu erfahren. Lastentiere wie Lamas standen wie geparkt am Marktplatzrand und warteten geduldig auf ihre zu tragende Last. Männer betrieben per Fuß, die vor ihren aufgebauten Singer-Nähmaschinen, um kleine Ausbesserungen vorzunehmen oder neue Hosen zu nähen. Da jede indigene Frau und jeder Mann in dieser Region einen Filzhut trug, hatte der Hutmacher alle Hände voll zu tun. Drückende Hüte wurden mit Dampf passend bearbeitet oder neue Filzhütte in Auftrag gegeben. Der Schuster richtete im Minutentakt abgelaufene Sohlen und Absätze.
    Und hohe Absätze trug die modebewusste Indigena. Der wöchentliche Markttag war eine Gelegenheit fürs Herausputzen. Die Frauen trugen deshalb knielange Röcke, wärmende Kniestrümpfe, farbenfrohe Fransenschals und traditionell dazu einen Filzhut. Die hohen Absätze durften selbst beim Tragen ihrer Kleinkinder im Rückentragetuch nicht fehlen. Die Frauen waren in dieser Region ganz klar der optische Hingucker und ihre Männer sichtlich stolz darauf. Von wegen Dorfpomeranzen!
    Wie es sich für einen Mark ttag gehörte, brutzelten an jeder Straßenecke essbare Leckereien. Die unter den Tisch geworfenen Knochenabfälle machten am Ende des Tages kleine Tierfriedhöfe aus, wobei die achtsamen Straßenhunde nur auf die passende Gelegenheit warteten. Mit knirschenden Zähnen verspeisten sie die weggeworfene Beute. Keiner ging an einem Markttag leer aus. Auch nicht die Männer, die sich den geschäftigen Tag mit billigem Schnaps schön tranken. Ihre Frauen mussten die Besorgungen erledigen, um danach vor der Dorfkneipe
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