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Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Titel: Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Erkundungstour an. Das Beste war allerdings schnell gesehen: die Leguane im Park Bolivar, das verwaiste Anthropologische Museum, der künstlich angelegte Boulevard und das augenscheinlich hochglanzpolierte Hafenviertel »Las Peñas«. Zu der städtebaulichen Hässlichkeit, die bekanntlich subjektiv im Auge des Betrachters lag, kam während unseres Aufenthalts auch noch das saunaartige Klima hinzu. Das Thermometer zeigte gnadenlose vierzig Grad Celsius an. Die Luftfeuchtigkeit war tropisch schwül und lag bei gefühlten hundert Prozent. Die geringste Bewegung endete im Schweißbad. Der tägliche, vorprogrammierte Aufguss kam selbst am Ende der Regenzeit wie aus riesigen Kübeln auf die bereits durchtränkte Erde. Wasserrinnsale in den geteerten Straßen verwandelten sich in kürzester Zeit in reißende Bäche. Die kaum funktionierenden Abwassergullys mutierten zu Springbrunnen, deren braunes schlammiges Wasser aus allen Ritzen sprudelte.
    Wir wohn ten zentrumsfern in einer privaten Pension, die einem Hochsicherheitstrakt glich. Die mehrere Meter hohen Grundstücksmauern waren zusätzlich mit Strom gesichert, worauf verschiedenste Warnschilder hinwiesen. Die Nachbarschaft verstärkte das Ford Knox-Ambiente mit bunten Glasscherben auf den Mauerrändern. Die eigenen Autos parkten sie nachts in der engsten Ecke hinter der schützenden Betonmauer, weshalb bei Dunkelheit die vielen öffentlichen Parkbuchten wie leergefegt wirkten. Eine alltägliche Situation, die unser ungutes Gefühl verstärkte.
    Die kleinen Tante-Emma-Läden ließen ihre Tante Emma wie eine Gefangene durch Metallgitter nach draußen schauen. Jede Kleinigkeit wurde durch die schützenden Gitterstäbe gereicht, egal ob es sich dabei um Seiten aus einem Kopiershop oder einen simplen Hamburger aus einer Imbissbude handelte.
    Dem Hinweis unserer lebenslustigen Pensionsbesitzerin, nichts Kostbares zur Schau zu tragen, folgten wir bereitwillig und alternativlos nach den ersten Diebstahl- und Überfallgeschichten. Wenn wir die sichere Pension verließen, verschwanden die wenigen Geldscheine im BH. Denn wir taten, was uns die Pensionsbesitzerin als Vorsichtsmaßnahme riet, obwohl es uns widerstrebte: das pauschale Gefühl von einem eingesperrten Drinnen und einem unsicheren Draußen.
    D ie Millionenstadt Guayaquil quälte uns mit vielen nervigen Eigenheiten, wozu wir auch den Verkehr zählten. Der hätte wie ein Schweizer Uhrwerk präzise funktionieren und die überschaubare Menge an Autos sanft durch die Stadt bringen können. Wenn, ja wenn da nicht die ecuadorianische Art des Autofahrens diesem Wunsch einen dicken Strich durch die gut kalkulierte Rechnung machte. Die Hauptstraße bestand aus vier Spuren, die durch gut sichtbare, weiße Straßenmarkierungen voneinander getrennt waren. Aber diese Streifen schienen nur wir Ausländer zu sehen und befolgen zu wollen. Wir fühlen uns wie die Sehenden unter den Blinden.
    Die Fahrzeuge tanzten stattdessen kreuz und quer wie Bienen vor dem Bienenstockeingang durcheinander. Selbst wenn kein anderer Wagen die Bahn blockierte, war das logische Fahren zwischen den Straßenmarkierungen nicht angesagt. Aus vierspurig wurde siebenspurig. Das obligatorische Hupen gehörte zum guten Ton des Autofahrens dazu wie auch unzählige Beulen ins Autoblech. Gehupt wurde rund um die Uhr, Tag und Nacht. Es war egal, ob eine weibliche Schönheit am Straßenrand stand, der Nachbar in seinem Bett schlief und trotzdem durch die Hauswand begrüßt werden sollte, oder weil die Hand gerade mal aktionsbereit an der Hupe schlummerte.
    Selbst beim Beerdi gungsumzug durch die Straßen versüßte ein lautes Autohupen dem Toten das letzte Geleit. Die äußere Spur einer vierspurigen Straße wurde kurzerhand als Fußgängerzone für die Trauernden vom Haus bis zum Friedhof umfunktioniert.
    Der Ort der letzten Ruhe bestand aus einem riesigen Hochhaus, in dem die Särge wie in einer Kommode übereinander zur letzten Ruhe geschubst wurden. Wir kannten die kleinen Kommoden bereits aus verschiedenen Ländern, aber bei dieser Dimension konnte man wohl zu Recht von einer Schrankwand sprechen.
    W ir mussten, während vieler Autofahrten durch die Stadt, an die Friedhofschubladen denken, wobei wir uns noch verkrampfter am eigenen Lenkrad des Campers festhielten. Augen zu und durch!
     

     
    Cotopaxi – Vulkan, Panamericana Anden Vikunjas Nationalpark Natur Kolibris Wildpferde Einsamkeit Bergbesteigung Schwefelwolke Verlaufen Bauchgefühl
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