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Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador

Titel: Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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gegrillte Meerschweinchen Schwitzkisten Heilige Tungurahua Vulkanasche Atemmasken Kirmes Unbeschwertheit
    D er ecuadorianische Wallfahrtsort Baños, »Bäder des heiligen Wassers«, sollte den Geschmack aller Touristen treffen. Zumindest vermittelten uns die Einheimischen diese Vorstellung, als sie uns von der Kleinstadt auf tausendachthundert Meter Höhe, zwischen den Anden und dem oberen Amazonasbecken, erzählten. Sie zeigten uns stolz, in x-beliebigen Situationen und weit entfernt von Baños, ihre persönlichen Urlaubsfotos mit den berühmten schwefelhaltigen Thermalbädern.
    I m ersten Moment schauten wir verwirrt auf ihre Fotos, denn die Begeisterung der Ecuadorianer konnten wir nicht teilen, zumindest nicht aus der Ferne. Die atmosphärische Anmutung der betonierten maroden Schwimmbecken brachte uns gedanklich eher in die Nachkriegsjahre eines osteuropäischen Badeortes als in einen paradiesischen Urlaubsort. Genauso musste es dort und dann gewesen sein, dachten wir im Stillen. Obwohl natürlich keiner von uns jemals dort war, erst recht nicht zu der Zeit. Manchmal brauchte man ganz einfach haltlose Vorurteile.
    In Baños angekommen, überzeugten wir uns als voyeuristische Spanner von unserer Fantasie. Im sicheren Abstand zu den hoch gepriesenen Thermalbädern, beobachteten wir das Treiben unter freiem Himmel: Das sogenannte Schwimmbad »Piscina de La Virgin« war ein Nichtschwimmerplanschbecken, indem sich die Menschen im Wasser – von der katholischen Kirche als heilig postuliert – bewegungslos aalten.
    Ein eigenartiger Anblick, denn d ie Schwimmbecken waren mit braunem, mineralhaltigem Wasser gefüllt. Gut, dass wir den Sachverhalt des Mineralgehaltes vorher in einem Reiseführer gelesen hatten, und sich dadurch auch die bräunliche Brühe erklärten ließ. Aber wir lasen auch, dass Besucher besser das morgendliche, saubere Wasser nutzen sollten. Diese Besucher hatten anscheinend von den hygienischen Hinweisen nichts erfahren. Und so rekelten sich in der Nachmittagssonne zu viele Menschen in zu wenig schwefelhaltigem Wasser. In den meisten Ländern wären die Becken wegen Überfüllung bereits vor Stunden gesperrt worden. Und der Keimgehalt des warmen Thermalwassers hätte die Gesundheitspolizei anrücken lassen.
    Weibliche wie männliche Badeschönheiten standen unter einem natürlichen Wasserfall, der sich oberhalb des Schwimmbads ergoss. Sie ignorierten die trostlose, wenn auch heilige Atmosphäre, und den, ach so menschlichen herumliegenden Müll. Außerdem schloss sich unmittelbar daneben eine Wasserabfüllstation für das heilige Wasser an. Aber auch das schien den Gläubigen egal zu sein, denn die Jungfrau des heiligen Wassers schützte alle vor allem. Amen! Oder hatten sie in der Physikstunde nur besser aufgepasst, als es um das Thema Verdünnungsgrad ging?
    W er dem heiligen Ort immer noch nicht recht Glauben schenken mochte, der ging in die Basilika, um sich die dortige naive Malerei anzuschauen. Eine Art Lese-Bilderstunde ganz im Zeichen des Herrn: Überlebende von schweren Autounfällen dankten ebenso der Jungfrau wie auch alle anderen Geretteten. Die bunten Malereien wirkten wie von einer göttlichen Eingebung inspiriert und von Kleinkinderhänden ausgeführt. Mit Motiven wie einem brennenden Autowrack oder einem Vulkanausbruch. Neben den Bildern erklärten kurze Geschichten in schlichten Worten die Wunder.
    W eil trotzdem nicht alle an die göttliche Bestimmung oder jungfräuliche Beschützerin glaubten, wurde die Gottesfurcht durch Naturgewalten auf eine neuerliche Probe gestellt. Im Jahr 1999 und dann im Frühling 2006 nochmals. Schwere Ausbrüche des Vulkans Tungurahua, acht Kilometer oberhalb des Ortes, ließen die seismographische Überwachung aus dem Tiefschlaf erwachen und seitdem die Kerzen in der Kirche lichterloh brennen. Und der Vulkan hustete kräftig seit seinem vergangenen Schluckauf. Raucherhusten mit schwarzem Auswurf. Gesundheit!
    Wir hatt en bei unserem Besuch des Ortes gerade solche vulkanischen Hustentage erwischt und rieben uns hilflos die Schleimhäute. Zwischen den Zähnen knirschte es. Das Zahnfleisch rieb wie Schmirgelpapier gegen die Lippen und die Augen wirkten vom ständigen Reiben leicht blutunterlaufend. Wie beim ersten Anzeichen einer grippalen Epidemie, begegneten uns Einheimische mit weißen Staubmasken vorm Mund. Ebenso wie Straßenmusiker, die ihr Akkordeon mit Mundschutz spielten.
    Wir ließen nichts ahnend die Fenster des Campers offenstehen und wurden
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