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back to past - zurueck zu dir

back to past - zurueck zu dir

Titel: back to past - zurueck zu dir
Autoren: Sigrid Lenz
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Gewalt, jedoch mindestens ebenso eindringlich zu verstehen gegeben hatte, dass er genug von seiner Gesellschaft, von dem ständigen Nachlaufen und dem Generve eines Kindes hatte.
    Gabriel redete sich ein zu verstehen, redete sich ein, dass es in Ordnung war, dass er dadurch wuchs und im Idealfall zu sich selbst fand. Die Wirklichkeit sah anders aus. Er war verletzt, mehr als verletzt. In den folgenden Tagen und Wochen fiel er in einen Abgrund ohne Boden. Zu wissen, dass er nichts hätte, ausrichten oder ändern können, dass die Entwicklung unvermeidlich gewesen war, half keineswegs. Das Bemühen, sich von der Notwendigkeit und der Logik des Geschehens zu überzeugen, schmerzte zusätzlich. Er versuchte, wütend zu werden, versuchte, Christian zu verabscheuen, doch selbst das tat weh. Obwohl er sich verbot, über ihn nachzudenken, sein eigenes Fehlverhalten zu analysieren, drehte er sich im Kreis, verlor die Fähigkeit zur Konzentration ebenso wie sein Interesse. Bis er aus der Dunkelheit auftauchte und ihm klar wurde, dass er mehr gewonnen als verloren hatte.
    Trotz Christians Schweigsamkeit und obwohl sie nie wirklich viel unternommen hatten, lernte Gabriel in den Stunden mit ihm doch mehr, als ihm damals bewusst gewesen war. Die Welt, die Christian ihm eröffnete, schenkte ihm Sicherheit, nahm ihm die Scheu, die ihn von Neuem abhielt. Auch wenn er damit begann, Christians Verhalten zu imitieren, wäre es dem doch nie eingefallen, ein Urteil zu fällen. Christian lachte nur, als Gabriel in Husten ausbrach, nachdem er an seiner ersten Zigarette gezogen hatte. Lachte dasselbe freundliche Lachen, frei von Schadenfreude oder Bösartigkeit, als er nach dem hochprozentigen Alkohol griff und ihm in Folge übel wurde. Sein Lachen vermittelte Gabriel, dass es in Ordnung war, dass Gabriel in Ordnung war, dass es jedem so ergehen konnte. Christian nickte nur, und blies Ringe in die Nachtluft, während Gabriel schwor, nie wieder eine Zigarette anzurühren. Und während Gabriel im Anschluss an seinen ersten Kater erklärte, dass er genug vom Alkohol habe, setzte Christian seine Flasche an die Lippen und leerte sie in einem Zug. Ratschläge, Mahnungen oder Witze lagen ihm fern. Im Nachhinein betrachtet war die stoische Ruhe, die wortlose Akzeptanz wohl die Eigenschaft, die Gabriel am meisten geprägt hatte. Sie blieb eine Erinnerung, die er über alles schätzte, an der er festhielt, wenn seine Gedanken abschweiften und er sich wider Willen, und bevor er sich stoppen konnte, ausmalte, wie Christians Leben inzwischen aussah. Doch keine der Vorstellungen von Christians Zukunft schien ihm infrage zu kommen . Keine der Möglichkeiten, die er für Christian gesehen hatte, passte in die Realität, die sich Gabriel zeigte.
    Sicherlich hätte er sich erkundigen können, wenn auch nur, um seine Neugierde zu befriedigen. Doch hielt ihn mehr als sein Stolz davon ab. Gabriel verfluchte seine Empfindlichkeit, versuchte über die Wunden zu lachen, die ihm das Leben zufügte. Trotzdem blieb die Verletzung für lange Zeit eine offene Stelle, die nicht heilen wollte. Sie lenkte ihn von der Verwirrung ab, die ihn regelmäßig ergriff, bis ihm endgültig klar wurde, dass er sich für Mädchen nicht interessierte. Doch erst als er die Erkenntnis von seiner Erinnerung an Christian lösen konnte und nach vorne sah, sein Leben unabhängig von der Familie und ihren Erwartungen gestaltete, war er in der Lage, mit nicht mehr als einem Hauch Nostalgie zurückzusehen.
    Auch wenn er im Stillen ahnte, dass Christians abweisende Haltung und dessen Persönlichkeit mehr Einfluss auf seine Wahl an Partnern ausübte, als er sich eingestehen wollte.
    Doch auch das hatte sich geändert.
    Gabriel straffte den Rücken. Schüchtern zu sein, durfte er sich nicht erlauben, nicht nachdem er Christian wiedergefunden hatte. Er bemerkte eine Bewegung hinter den Fensterscheiben und steuerte mit langen Schritten das Jugendzentrum an.
    Als er eintrat, sah Christian auf und sein eben noch ernstes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, fast einem Strahlen. Die vollen Lippen öffneten sich, als wollte Christian rufen oder lachen, doch im letzten Augenblick verschluckte er den Laut, hob nur kurz die Hand zum Gruß.
    Gabriel nickte ihm zu, fühlte, wie sein eigenes Lächeln aufblühte, und fragte sich einen Moment, warum er so lange gewartet hatte.
    Bis er andere, fremde Blicke auf sich spürte und den Kopf wandte.
    Hinter dem Tresen stand ein älterer Mann mit grauem Bart und
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