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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition)
Autoren: Thomas Reich
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Gut. Dann sollten wir uns besser beeilen. Fishface hat eine Stunde Vorsprung. Wollen wir hoffen, dass er immer noch im Einkaufszentrum ist.“
     
    *
     
    Die Sunlight Mall war ein riesiger Gebäudekomplex, in dem man sich leicht verirren konnte. Im alten Jahrhundert residierte in ihrem Innern noch eine Spinnerei. Von der alten Fabrik war nicht viel übrig geblieben. Die Front wurde komplett verglast, dahinter von Kern auf saniert. So verschmolzen Stadthistorie und Moderne zu einem interessanten Mix, der tagtäglich knapp zweitausend kaufwillige Konsumenten anlockte.
    „ Wie sollen wir ihn hier finden?“
    „ Wir fangen mit den Sportgeschäften an. Nike, Reebok, Hilfiger.“
    „ Sportartikel sind im dritten Stock.“
    Sie benutzten die Rolltreppen im Westflügel, um sich ein besseres Bild machen zu können. Unablässig wanderten ihre Augen über die Menschenmengen. Kater Carlo begann unruhig an seinen Nägeln zu kauen. In seinen Augen loderte ein Feuer, das ihn zu verzehren drohte. Gnade dem Wurm, der sich ihm in den Weg stellen würde. Reebok erwies sich als Fehlschlag. Auch bei Nike keine Spur von ihm.
    „Da vorne!“
    Bluetron flüsterte, und das war auch gut so. Fishface trat seelenruhig aus dem Hilfiger-Store, zwei volle Plastiktaschen in der Hand. Er trug einen silbern schimmernden Jogginganzug aus der neuen Pumakollektion. Limitierte Auflage. Wie oft hatten sie sich in den letzten Wochen die Nasen am Schaufenster platt gedrückt, und dieses Teil bewundert. Keiner hatte es gewagt, ihn zu kaufen. Viel zu exzentrisch und zu teuer. Fishface war schon immer der Paradiesvogel in ihrer Gruppe gewesen. Stand auf das ganze Blinke-Blinke, was die Ghettojugend der Neunziger ausgemacht hatte. Kater Carlo hatte ihn mehrfach dafür gerügt. In der Hoffnung, er würde sich bessern. Monochrome Men fielen nicht auf. Sie blieben im Verborgenen.
    Schlichen sich an. Der Dreckswichser sollte sie nicht zu früh zu Gesicht bekommen. Ob er seine Einkäufe mit schmutzigem Verrätergeld bezahlt hatte? Kater Carlo kochte vor Wut. Jetzt waren sie so nahe, dass er sie fast hören konnte.
    „ Na, wer geht denn da alleine einkaufen?“
    Bluetron und Threepac keilten ihn gegen das Geländer ein.
    „Hallo Fishface.“
    „ Äh-hi, Kitty.“
    „ Für dich Kater Carlo. Kitty nennen mich nur meine Freunde.“
    „ Carlo…“
    „ Du weißt, was mit Singvögeln passiert?“
    „ Bitte Carlo, ich war’s nicht!“
    „ Vögel lernen fliegen. Nicht wahr, Fishface?“
    „ Zeig es dem kleinen Pisser.“
    „ Schickt ihn über die Planke.“
    Threepac und Bluetron packten ihn an den Beinen. Ehe er es richtig begriffen hatte, hing er kopfüber über die Brüstung.
    „Schick mir ne Postkarte, wenn du unten bist.“
    Fishface verschränkte die Arme schützend vor seinem Gesicht, während er schreiend nach unten stürzte. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen platschte er in den Springbrunnen, der die Kunden vor Bloomingdale’s zum verweilen einlud. Wäre Fishface ein Klippenspringer gewesen, hätte es ein athletisch schöner Sprung werden können mit einer durchschnittlichen Bewertung von 8,4. Leider war das Becken nur einen halben Meter tief. Bei einer flachen Landung hätte er vielleicht eine Chance gehabt. Er hätte sich mit Sicherheit ordentlich den Rücken geprellt, aber er wäre aufgestanden, als wäre nichts gewesen. Durch seine senkrechte Flugbahn brach er sich zuerst die Hände, die seinen Kopf schützen sollten, danach erlitt er einen schweren Schädelbruch. Seine Wirbelsäule wurde gestaucht, bis die Bandscheiben einfach platzten. Sein Blut wurde von der Pumpe des Brunnens erfasst und in den Wasserkreislauf eingespeist. Die Spitze der Steinskulptur, die der moderne Künstler Shatnerd dem Einkaufszentrum gespendet hatte, erwachte zu rotem Leben. Aus ihrem Mund ergoss sich sprudelnd Fishfaces Blut. Einige Geschäftsfrauen mit Guccihandtaschen ergriffen kreischend die Flucht. Kater Carlo und die Monochrome Men nahmen die Beine in die Hand. Bald würde der Sicherheitsdienst der Shoppingmall die Passage absperren.
     
     
    Karriere Rolle rückwärts
     
    Zu guten Zeiten warf www.erodildo.com ein Milliarde Dollar im Jahr ab. Douglas Winchester war sehr stolz auf ein Unternehmen, über das die anderen Millionäre im Country Club die Nase rümpften. Als neureicher Emporkömmling wurde er nie in den offiziellen Stand des Geldadels erhoben. Kein Mensch wollte am Buffet mit ihm reden. In der einen Hand hielt er eine Champagnerflöte, in der
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