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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Doktor.
    Väterchen Waninow, der Pope, nahm wieder einen kräftigen Zug aus der Zigarre.
    »Er ist hin, Bairam Julianowitsch«, sagte er und blies den Qualm wie ein Fabrikschlot von sich. »Du kannst hier nichts mehr tun. Der Himmel hat ihn schon vereinnahmt. Er steht vor Gottes Thron.«
    Irrtum, wollte Babkin schreien. Ich bin noch hier, mitten unter euch, ihr Strolche! Und wie ich da bin! Ich sehe euch Halunken scharf wie ein Adler, ich höre euch wie ein Luchs, und Dr. Poscharskij stinkt nach Schweiß. Greif ins zweite Regal, hinter der Tür, da stehen Parfüms, und besprühe dich. So einen Geruch kann ja kein Toter aushalten …
    »Trotzdem, ich muß meine Pflicht tun, Sidor Andrejewitsch.« Dr. Poscharskij kniete neben Babkin nieder, zog ihm die unteren Lider herunter und die oberen hoch, legte sein uraltes hölzernes Hörrohr an seine Brust, gab Babkin einige Ohrfeigen, als könnte er damit die Blutzirkulation wieder anfeuern, und erhob sich dann.
    »Tot. Einwandfrei tot.«
    »Und woran ist Babkin gestorben?«
    »Wer weiß das? Man könnte es nur feststellen, wenn man ihn seziert. Aber dazu gibt Nina Romanowna nie ihre Einwilligung.«
    »Nicht für einen herzhaften Händedruck.« Waninow legte seine Zigarre auf das Regal mit der Seife. »Aber für fünfhundert Rubel würde sie seine Leiche verkaufen. Es gibt nichts Geizigeres und Habgierigeres als Nina Romanowna.«
    »Woher soll man fünfhundert Rubel nehmen, Väterchen Waninow?« Dr. Poscharskij betrachtete Babkin lange und intensiv. »Obgleich es mich reizen würde, ihn aufzuschneiden …«
    So einer also bist du, dachte Babkin empört. Um deine Dummheit zu verdecken, willst du mich zerschneiden. Und Nina? Verkaufen würde sie mich für fünfhundert Rubel? Sieh an, sieh an, wie man über dein Weibchen denkt im Ort. Welch eine Bande habe ich jahrzehntelang höflich gegrüßt! Nun ist's zu spät, sie alle anzuspucken!
    »Tragen wir Wadim Igorowitsch in sein Bett«, sagte Waninow. »Wenn man's genau überlegt, bin ich der einzige Geschädigte durch seinen Tod. Nina erbt ein stattliches Vermögen, du verdienst als Arzt an ihm, Mischin wird den Sarg liefern, Sablin, der Blumenhändler, wird die Ausschmückung übernehmen und zweihundert Prozent aufschlagen. Nur ich muß ihn umsonst beerdigen und verliere dabei noch einen fleißigen Spender für die Kirche. Nie werde ich sagen, daß Gott ungerecht ist – aber das Priesteramt ist ein entbehrungsreiches Amt …«
    Hilflos mußte es Babkin über sich ergehen lassen, daß Waninow und Dr. Poscharskij ihn wie einen Sack aus dem Basar ins Haus und auf sein Bett schleppten, ihm die Hände über der Brust falteten und ein zusammengerolltes Handtuch unter sein Kinn schoben, damit sein Mund nicht aufklappte.
    »Nun können sie kommen und trauern!« sagte Dr. Poscharskij zufrieden. »Er sieht gestorben schöner aus als im Leben.«
    »Er hat nun auch keinen Ärger mehr. Gott war ihm gnädig. Wenn er im Leben gewußt hätte, was alles um ihn herum geschehen ist … ein glücklicher Mensch, so zufrieden dahinzugehen …«
    Väterchen Sidor sah Dr. Poscharskij fragend an. »Was willst du den Angehörigen sagen, Bairam Julianowitsch? Woran ist Babkin gestorben?«
    »An einem apoplektischen Insult. Das versteht keiner, aber es klingt gut.«
    »Und wenn sie es erklärt haben wollen?«
    »Dann spreche ich lateinisch, und alle werden ergriffen sein.« Dr. Poscharskij rieb sich die Hände und nahm seine Tasche wieder an sich. »Ein Arzt, der verständliche Erklärungen gibt, ist fast wie ein Selbstmörder.«
    Sie verließen das Schlafzimmer, setzten beide eine ergriffene Miene auf und sprachen dann der inzwischen versammelten Familie ihr Beileid aus.
    Babkin war nun allein, lag steif auf seinem Bett und war maßlos empört über das, was er hatte anhören müssen.
    Wenn es stimmt, daß man einmal wiedergeboren wird, werde ich ihnen allen Feuer unter die Hintern legen, dachte er. Hat man solche Strolche schon gesehen? Ein Pope und ein Arzt, die in die Hölle gehören … Und man liegt hier herum, hört und sieht das alles und kann sich nicht rühren! Ist das schon eine Art Buße für ein – seien wir jetzt wenigstens ehrlich – erfolgreich geheucheltes anständiges Leben? Aber betrügen und betrogen zu werden, sind zwei ungleiche Schuhe. Und es ist schmerzlich, jetzt zu erkennen, welch ein Idiot man gewesen ist!
    Babkin wurde ein bißchen müde, schlief ein und erwachte wieder, als dicke Kerzen rund um sein Bett flackerten und eine
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