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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück
Autoren: Henry Rider Haggard
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was ich damit meine, wenn ich Ihnen erkläre, daß sein Gesicht nicht denen normaler Sterblicher glich, denen ich bisher begegnet war. Wenn ich ein Maler wäre, der einen weisen und gutmütigen, doch irgendwie grotesken Geist darstellen wollte, so würde ich dieses Gesicht als Modell nehmen.
    Mr. Holly war irritiert über mein Erscheinen (seine Haushälterin hatte mich ohne sein Wissen gerufen), doch nach kurzer Zeit gab er sich mir gegenüber sehr freundlich und war dankbar für die Erleichterung, die ich ihm verschaffen konnte, obwohl das alles war, was ich für ihn zu tun imstande war. Bei meinen späteren Besuchen sprach er ziemlich viel über die Länder, die er bereist hatte, offensichtlich über lange Jahre und auf der Suche nach etwas, das er mir gegenüber nicht genauer erklärte. Zweimal fieberte er und sprach in fremden Sprachen, die ich als Griechisch und Arabisch identifizierte; gelegentlich auch in Englisch, wenn er zu einem Wesen zu sprechen schien, das Gegenstand seiner Verehrung war, ja seiner Anbetung, wie es mir vorkam. Was er in diesen Gesprächen sagte, möchte ich jedoch nicht preisgeben, da ich sie in meiner Eigenschaft als Arzt hörte.
    Eines Tages deutete er auf eine kleine Kiste aus einem tropischen Holz (dieselbe, die ich heute als Bahngut an Sie aufgegeben habe) und bat mich, sie sofort nach seinem Tod an Sie zu schicken. Außerdem bat er mich, ein Manuskript einzupacken, das ebenfalls nach seinem Ableben an Sie geschickt werden sollte.
    Er sah, daß ich dabei einen Blick auf die letzten Blätter warf, die stark versengt, teilweise verbrannt waren und sagte (ich wiederhole wörtlich):
    »Ja, ja, das ist nun nicht mehr zu ändern. Sie müssen es abschicken, so wie es ist. Ich hatte mich entschlossen, das Manuskript zu vernichten, und es war bereits im Feuer, als ich den Befehl erhielt – einen klaren, deutlichen Befehl – und ich es wieder aus den Flammen riß.«
    Was Mr. Holly mit diesem ›Befehl‹ meinte, kann ich nicht sagen, da wir nie wieder von dieser Angelegenheit gesprochen haben.
    Ich komme jetzt zum letzten Akt. Eines Abends gegen elf Uhr wollte ich meinen Patienten wieder aufsuchen, da ich wußte, daß sein Ende bevorstand, um sein Herz mit einer Strychnininjektion etwas länger schlagen zu lassen. Doch bevor ich das Haus erreichte, kam mir die Haushälterin entgegengelaufen, offensichtlich verstört vor Angst, und ich fragte sie, ob Mr. Holly gestorben sei. Sie schüttelte den Kopf und erklärte, daß er verschwunden sei; er sei aus dem Bett gestiegen und so wie er war, barfuß und im Nachthemd, aus dem Haus gegangen. Er sei zuletzt von ihrem Enkel gesehen worden, zwischen den schottischen Fichten, an derselben Stelle, an der wir jetzt standen. Der Junge war halb hysterisch vor Angst zu ihr gelaufen, da er glaubte, einen Geist gesehen zu haben.
    Das Mondlicht war sehr hell in dieser Nacht, besonders, da es von frisch gefallenem Schnee reflektiert wurde. Ich war zu Fuß gekommen und begann sofort mit der Suche zwischen den Fichten, bis ich am Rand der kleinen Schonung die Spuren nackter Füße im Schnee entdeckte. Ich folgte ihnen und befahl der Haushälterin, zurückzugehen und ihren Mann zu wecken, da niemand sonst in der Nähe wohnte. Die Spur war in dem frisch gefallenen Schnee sehr leicht zu verfolgen. Sie führte auf die Kuppe eines Hügels, der sich hinter dem Haus erhob.
    Auf diesem Hügel befindet sich ein uraltes Monument aus aufrecht stehenden Monolithen, das von der einheimischen Bevölkerung der ›Teufelsring‹ genannt wird – eine Art Miniatur-Stonehenge, das von einem vorgeschichtlichen Volk dort errichtet worden ist. Ich hatte es bereits mehrere Male besichtigt und war zufällig auch anwesend, als bei einer Sitzung einer archäologischen Gesellschaft sein Ursprung und Zweck diskutiert wurden. Ich erinnere mich, daß einer der gelehrten Gentlemen eine These über eine Figur verlas (es handelt sich dabei um die primitive, rohe Darstellung eines Oberkörpers und eines mit einem Schleier oder einer Kapuze verhüllten Gesichts), die in einem Cromlech oder Dolmen gemeißelt war, der im Mittelpunkt des Kreises steht.
    Er vertrat die Ansicht, daß es sich um eine Darstellung der ägyptischen Göttin Isis handele und daß dieser Ort ihr geweiht worden sei; zumindest aber hätte diese Stätte der Verehrung einer Naturgöttin gleicher Art gedient. Die anderen gelehrten Gentlemen hielten diese Hypothese für schlichtweg absurd. Sie erklärten, daß Isis niemals nach
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