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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück
Autoren: Henry Rider Haggard
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Britannien gekommen sei obwohl ich nicht einsehen kann, warum die Phönizier, oder sogar die Römer, die ihren Kult mehr oder weniger übernommen haben, ihn nicht hierhergebracht haben sollten. Doch ich verstehe nichts von solchen Dingen und möchte mich deshalb nicht auf eine Diskussion darüber einlassen.
    Ich erinnerte mich, daß auch Mr. Holly diese Stätte kannte; erst am vergangenen Tag hatte er sie mir gegenüber erwähnt und mich gefragt, ob die Steine noch immer unbeschädigt seien, wie zu der Zeit, als er hier aufgewachsen war. Dann erklärte er mir, daß er dort, bei diesen alten Steinen, sterben wolle. Als ich ihm sagte, daß er wohl nie mehr die Kraft haben würde, auf diesen Hügel zu steigen, sah ich, daß er verhalten lächelte.
    Nun, dieses Gespräch lenkte mich auf den richtigen Weg. Ohne mich länger um die Fußspuren zu kümmern, ging ich, so schnell ich konnte, zu dem Ring aus Steinen hinauf, ein Aufstieg von etwa einer halben Meile. Als ich ihn erreichte, sah ich dort, vor dem Dolmen und nur mit seinem Nachthemd bekleidet, Mr. Holly barfuß im Schnee stehen – der seltsamste Anblick, den ich jemals erlebt habe.
    Nie werde ich diese Szene vergessen. Der Ring von rohen, aufrecht stehenden Steinen, deren Spitzen auf den sternübersäten Himmel gerichtet waren, ein Bild einsamer Größe. Der hohe Trilithon in ihrer Mitte überragte sie, sein Schatten wurde von dem hellen Mondlicht auf die blendend weiße Schneedecke geworfen, und außerhalb dieses Schattens, so daß ich jede seiner Bewegungen klar erkennen konnte, und selbst den verzückten Ausdruck auf seinem sterbenden Gesicht, stand die weißgekleidete Gestalt von Mr. Holly. Er schien irgendeine Beschwörungsformel zu intonieren – auf arabisch, glaube ich – denn lange, bevor ich ihn erreichte, hörte ich seine volle, sonore Stimme, sah ich seine zum Himmel emporgereckten Arme. In seiner rechten Hand hielt er das Zepter, das ich Ihnen auf seinen ausdrücklichen Wunsch zusammen mit seinen Zeichnungen zugesandt habe. Deutlich konnte ich das ringförmige Kopfstück des Zepters erkennen, sah das Glitzern der Edelsteine, die auf seinen Drähten aufgereiht waren, hörte das feine Klingeln der goldenen Glöckchen.
    Und dann schien mir plötzlich eine andere Gegenwart bewußt zu werden, und nun verstehen Sie vielleicht meinen Wunsch, daß mein Name in diesem Zusammenhang nicht genannt werden soll, da ich keine Lust habe, in eine abergläubische Geschichte hineingezogen zu werden, die unmöglich und absurd erscheinen muß. Doch halte ich es unter den obwaltenden Umständen für richtig, Ihnen zu berichten, was ich sah – oder zu sehen glaubte: irgend etwas schien sich im Schlagschatten des zentralen Dolmen zu materialisieren oder aus seiner mit der primitiven Götterfigur geschmückten Höhlung zu kriechen – ich weiß nicht, was es war und wie es geschah – etwas Helles, Erhabenes, das allmählich die Gestalt einer Frau annahm, an deren Stirn ein sternenartiges Licht glühte.
    Auf jeden Fall erschreckte mich diese Vision, oder Reflektion, oder was immer es gewesen sein mochte, so sehr, daß ich im Schatten eines der Monolithen stehenblieb und nicht einmal fähig war, den Mann, den ich bis hierher verfolgt hatte, anzurufen.
    Während ich so im Schatten des Steins stand, wurde mir bewußt, daß auch Mr. Holly etwas gesehen hatte. Jedenfalls wandte er sich der strahlenden Erscheinung im Schatten zu und stieß einen Schrei aus, einen wilden Freudenschrei, und trat auf sie zu. Und dann schien er durch sie hindurch zu Boden zu fallen.
    Als ich die Stelle erreichte, waren das Licht und die schattenhafte Gestalt verschwunden, und ich fand nur Mr. Holly, der mit ausgestreckten Armen auf dem Boden lag, das Zepter mit der rechten Hand umklammert.
    Er war tot.
     
    Den Rest des Briefes dieses Arztes brauche ich nicht zu zitieren, da er sich mit mehreren sehr unwahrscheinlichen Theorien über den Ursprung dieser Lichtgestalt befaßt, mit Einzelheiten über den Abtransport des toten Holly und über sein Gespräch mit dem Coroner, den er davon überzeugen konnte, daß eine gerichtliche Überprüfung der Todesursache nicht nötig sei.
    Der Kasten, von dem er sprach, ist inzwischen sicher eingetroffen. Über die darin aufbewahrten Skizzen und Zeichnungen brauche ich nichts zu sagen, und über das Sistrum , oder Zepter nur ein paar Worte. Es war aus Kristall gearbeitet und hatte die bekannte Form des crux-ansata , dem Lebenssymbol der Ägypter: Stange, Kreuzstange
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