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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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entspannte sich aber sogleich, als sie Boudicca erkannte. Coventa war mittlerweile schlaff in sich zusammengesunken, murmelte noch immer leise vor sich hin. Gemeinsam trugen sie sie durch den Wald, brachten sie ins Haus der Heiler.
    »Wird sie wieder gesund?«, fragte Boudicca, wandte den Blick vom stillen Gesicht ihrer Freundin ab und sah in die angespannte Miene der Priesterin, die vom flackernden Schein des kleinen Feuers mal hell und mal dunkel erschien. Coventa hatte sich beruhigt, kaum dass man sie vom Hain weggebracht hatte. Nun lag sie da wie jemand, der in tiefen Schlaf gesunken war. Boudicca neigte sich über sie und fragte sich, in welchen Träumen Coventa wohl gerade umherirrte. »Sollten wir sie nicht lieber wecken?«
    »Nein, besser nicht«, antworte Lhiannon. »Denn dann steht zu befürchten, dass sie in der Trance stecken bleibt. Wenn man nicht im Wachzustand zurückkehren kann, dann ist der gewöhnliche Schlaf der beste Übergang. Bis sie aufwacht, wird sich ihr Geist von allein neu geordnet haben. Wir können nichts weiter für sie tun, außer an ihrer Seite zu bleiben. Wenn sie allzu plötzlich erwacht, kann es sein, dass ein Teil ihres Geistes noch in der Traumwelt weilt, und dann wird es schwierig, sie ganz zurückzuholen.«
    »Aber du würdest es auf jeden Fall versuchen, nicht wahr?«, fragte Boudicca unsicher. »Oder Helve?« Die Klänge des Festes hallten wie ferne Wellen an der Küste – und beide fühlten sich, als wären sie mutterseelenallein auf der Welt.
    Lhiannon sah sie erstaunt an, doch Boudicca hielt ihrem Blick stand. Seit nunmehr einem Jahr hatte sie es nicht zugelassen, sich auf eine Freundschaft mit einem der Mädchen einzulassen, mit Ausnahme von Coventa. Vor allem bei Lhiannon tat sie sich schwer, fürchtete Herablassung oder, schlimmer noch, Mitleid. Lhiannon war so wunderschön, was sollte sie sich da abgeben mit einem ungeschickten, ungelehrigen Mädchen? Doch heute Abend waren sie vereint in gemeinsamer Sorge um Coventa. Und schließlich war Boudicca diejenige gewesen, die als Erste bemerkt hatte, dass mit Coventa etwas nicht stimmte. Heute Abend konnte sie ihrer Lehrerin ebenbürtig begegnen und es wagen, zu ergründen, was sich hinter der heiter-ruhigen Miene verbarg, mit der die Priesterin der Welt sonst begegnete.
    »Aber sicher doch. Du darfst ihre Fähigkeiten nicht unterschätzen. Höchstwahrscheinlich wird sie die nächste Hohepriesterin sein, nach Mearan.« Von draußen hörten sie Freudenschreie und Jubelrufe – das Beltane-Feuer war entfacht.
    »Mir fällt es schwer, sie zu mögen«, sagte Boudicca. Lhiannon entgegnete nichts, spannte aber die Lippen, und Boudicca verstand, was die Priesterin in ihrer Loyalität nicht aussprach. »Sie bändelt mit jedem Mann an, den sie sieht, schenkt aber niemandem ihre Liebe.«
    »Sie muss rein bleiben, um als Seherin zu dienen«, sagte Lhiannon gleichmütig. »Als Mearan krank wurde, war es gut, auf eine andere Priesterin mit der seherischen Gabe zurückgreifen zu können.«
    »Wieso? Du hättest auch einspringen können.« Boudiccas Stimme klang warmherzig, und sie bemerkte ein verräterisches Rot auf Lhiannons Wangen. »Ah, bist du deshalb hier, anstatt um das Feuer zu tanzen?« Die heimlichen Blicke, die Lhiannon und Ardanos tauschten, wenn sie sich unbeobachtet glaubten, waren Boudicca nicht entgangen.
    »Ich bin hier, weil Coventa mich braucht!«, sagte die Priesterin barsch und derart scharf, dass Boudicca die Warnung verstand.
    »Warum so ein Aufhebens um die Jungfräulichkeit gemacht wird, verstehe ich nicht«, sagte Boudicca schließlich.
    »Um die Wahrheit zu sagen«, erwiderte Lhiannon mit schiefem Blick, »ich im Augenblick auch nicht.«
    Boudicca lächelte, fand es überraschend angenehm, dass Lhiannon ihr mit Nachsicht begegnete. »Mir gefällt die Vorstellung nicht, nach der Pfeife eines Ehemannes zu tanzen, aber Kinder hätte ich schon ganz gern. Mearan schien immer wie eine Mutter für die Gemeinschaft zu sein. Komisch, dass sie keine eigenen hat.«
    »Früher gebaren die Hohepriesterinnen oft Kinder, und dann diente eine andere Frau als Seherin«, erwiderte Lhiannon.
    »Aber ist das so wichtig?«, fragte Boudicca. »Wie ist das denn bei den Römern?«
    »Die Römer haben keine eigenen Seherinnen«, erklärte Lhiannon, offensichtlich erleichtert, die Unterhaltung auf ein neutraleres Thema verlagern zu können. »Sie befragen die Orakel in Hellas, aber als die Sibylle von Cumae die neun Bücher der

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