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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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ihn kein weltlicher Garten verströmen konnte, und sie wusste, dass die Göttin zugegen war.
    Erleichtert zog sie Coventa zurück, damit sie bei den anderen stand, und ließ sich entspannt in den vertrauten Rhythmus des Rituals fallen. Helve war eine machtvolle Seherin, das musste sie zugeben. Lhiannon stand direkt hinter dem Orakelstuhl, von wo aus sie spüren konnte, wie die Aura dieser Frau sich weiter und weiter ausbreitete, während sie immer tiefer in Trance fiel und eine innere Schranke aufbaute, um sich dagegen zu wehren.
    Die erste Frage kam von Lugovalos, der wie erwartet wissen wollte, wie die Aussichten auf eine gute Ernte standen. Zufriedenes Gemurmel war zu hören, als die Seherin von sonnigen Himmeln und Feldern, golden mit reifer Frucht, sprach. Die Gesichter um sie herum begannen zu strahlen, und Lhiannon lächelte. Mona war eine Kornkammer Britanniens – da müsste ihnen das Schicksal schon übel mitspielen, um sie um die reiche Ernte zu bringen. Neben ihr wiegte sich Coventa, summte leise vor sich hin, und Lhiannon kniff sie fest in die Hand.
    »Verbinde dich mit der Erde, mein Kind«, flüsterte sie mit schneidender Stimme. »Nur die Seherin darf durch das Tor der Weissagung treten.« Coventa stieß ein paarmal einen Schluckauf hervor, verstummte dann, blieb aber unruhig, als Lugovalos erneut zu sprechen begann.
    »In Gallien haben die römischen Legionen unser Volk unter ihr eisernes Joch genommen, und nun hat ihr Kaiser den Druidenorden aus den eroberten Gebieten verbannt. Sag, Seherin, was wird die Zukunft uns in Britannien bringen?«
    Stille trat ein, als ob nicht nur der Erzdruide, sondern ganz Britannien auf die Antwort wartete.
    Die Blüten in Helves Stirnkranz erzitterten, und Lhiannon spürte, dass auch Coventa erbebte – wie in einer übereinstimmenden Schwingung. Einmal mehr verfluchte sie Helves selbstherrlichen Stolz. Coventa hatte die Visionen aufgenommen und konnte sich nicht erwehren.
    »Ich sehe Ruder, die sich heben und wie Schwingen wieder ins Wasser tauchen …«, murmelte Helve. »Wenn die Gänse im Frühjahr gen Norden ziehen, kommen sie – drei große Scharen geflügelter Schiffe rudern über das Meer …«
    »Wann werden sie da sein, du Weise?«, fragte Lugovalos eindringlich. »Und wo?«
    »Dort, wo sich die weißen Klippen erheben und der weiße Sand leuchtet«, kam die Antwort. »Wenn der Hagedorn in weißer Blüte steht.«
    Genaue Zeitpunkte lassen sich eben nur schwer vorhersagen, dachte Lhiannon im Stillen, als ein unruhiges Raunen durch die Menge ging. Aber als frühester Zeitpunkt kam nur das kommende Jahr in Betracht. Ein so großes Heer zusammenzuziehen würde seine Zeit brauchen, und auch wenn die Druiden aus Gallien verbannt würden, gab es noch jede Menge Vertreter des Ordens auf der anderen Seite des Meeres. Sie legte den Arm um Coventa, hielt sie fest und betete, dass Helve bald zum Ende kommen möge. Doch der Erzdruide wollte noch mehr wissen.
    »Und was dann? Wo sind unsere Heere?«, fragte er nach.
    »Die roten Wimpel marschieren westwärts, und niemand hält sie auf. Ich sehe einen Fluss …« – Helve stöhnte auf, und wie als Widerhall dazu entwich auch Coventas Kehle ein schwaches Stöhnen. Der helle Schein um sie herum verdunkelte sich zu einem feurigen Glanz. Dann bestürmten Visionen ihr Bewusstsein – von Heeren, die im Kampf umzingelt sind, von Leichen, die flussabwärts treiben. Und Lhiannon packte sie am Kopf und schüttelte sie.
    »Der Fluss fließt rot … rot … wird zum Fluss aus Blut, der das ganze Land überzieht!«
    Helve stieß einen Schrei aus, den Schrei des Raben. Coventas schwacher Schrei fiel in gespenstischer Harmonie darin ein. Da die Augen der Priester gebannt auf Helve gerichtet waren, schienen sie davon nichts mitzubekommen, die Priesterinnen jedoch fuhren erschrocken herum.
    »Bring sie hier weg!«, zischte Belina Lhiannon ins Ohr.
    Coventas Glieder zuckten nun unkontrolliert. Mit verzweifelter Kraft hob Lhiannon das Mädchen hoch und wankte mit ihr zurück in den Wald. Hinter sich konnte sie Helves lautes Heulen sowie Lugovalos’ raunendes Murmeln hören, als er sich anschickte, die Flut der Visionen einzudämmen. Die Druiden würden noch mehr Fragen bezüglich der Römer haben, doch Lhiannon musste nicht in Trance sinken, um vorherzusagen, dass die sich auf einem Fest wie diesem bestimmt nicht aushorchen ließen.
    Keuchend lehnte sie sich an einen Baum und fuhr kurz zusammen, als neben ihr ein Schatten erschien,
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