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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating
Autoren: Gill Gartenstadt
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Israel...
    »Kannst du dir denn vorstellen, dauerhaft in Wiesenwald zu leben?«, will ich wissen.
    »Wiesenwald ist doch meine Heimat.«
     
    Wir gehen die Treppe zum Bahnsteig herauf, unsere Füße knallen im Gleichklang auf die Stufen, meine Erregung fliegt mir bis in den Haaransatz.
    Wir stehen auf dem Bahnsteig und umarmen uns. Dabei stehen wir Stirn an Stirn, und ich muss wieder so tief atmen. Ich atme seinen Atem und hoffe auf diese eine chemische Verbindung: Liebe.
    Wir küssen uns und umarmen uns innig. Er riecht ein wenig nach Essen. Komischer Weise genau nach dem Essen, das ich heute gekocht habe. Bei uns gab’s Hühnerfleischspießchen mit Reis und Zucchini. Er hat bestimmt eine Shawarma in der Altstadt gegessen. Oder geht oft zum Libanesen, denn sein Mantel riecht danach. Den Imbiss kenne ich auch noch von früher. Aber ich liebe Knoblauch. Da habe ich gestern Abend im Sofar extra drauf verzichtet und nur ein belegtes Baguette mit Käse und Schinken gegessen. Das weit über die Grenzen Wiesenwalds bekannte »BKS«. Das gab’s da schon vor 25 Jahren. Und dann riecht er ein bisschen nach Schweiß, nach schwitzender Kopfhaut.
     
    DÉjÀ-VU 3 10
     
    Es ist ganz dunkel um uns herum. Wir stehen am Fuße einer Brücke, unter uns ist der Rhein. Ich sehe das Weiß seiner Hände und fasse sie an. Sie sind zart und weich. Meine sind hart und rau von der Hausarbeit. Ich denke, dass ihm Gartenarbeit, das Graben mit bloßen Händen in Mutter Erde, mal ganz gut tun würde. Vielleicht ist er auf der Suche nach Erdung? Ich streichle seinen Daumen auf eindeutige Art. Mein Zeigefinger und mein Daumen fahren langsam immer wieder seinen Daumen rauf und runter, und ich höre ihn leise stöhnen. Es ist so wunderschön. Und das nach nur zwei Stunden! Er zieht mich ganz fest an sich ran, und ich spüre seine Beckenknochen genau auf meinen. Durch meinen dicken Daunenmantel hindurch. Ich halte meine rechte Hand an sein linkes Schulterblatt und übe einen sanften Druck aus, den ich langsam erhöhe und wieder abschwäche. Immer wieder. Dabei streichle ich seinen Nacken. Seine Haare sind so weich. Und dann passiert etwas Unglaubliches. Er bewegt sein Becken, als würde er in mich eindringen. Immer wieder. So leicht und so sanft, ich schwebe. Er geht um mich herum und umklammert mich von hinten so fest, mit all seiner Kraft. Ich kann mich nicht bewegen, mir bleibt die Luft weg. Seine Hände fahren meinen Körper entlang und umschließen meine Taille.
    Ich drehe mich wieder um, und wir küssen uns. Er greift mit seiner rechten Hand zielsicher direkt zwischen meine Pobacken, was ich mit einem freudig überraschten »UH!« kommentiere.
    Die Bahn kommt jetzt angefahren. Er sieht mich an und sagt:
    »Ich möchte, dass du jeden Abend vorm Einschlafen an mich denkst, denn dann wäre ich am liebsten bei dir.« Das klingt so wirklich nett, und ich schaue lächelnd zu ihm hoch und sage:
    »Hab’ ich schon.« OHWEIA, das hätte ich ohne Bier wohl nicht gesagt. Ich kann mich gerade noch bremsen zu sagen, »Ich will deine Leidenschaft«.
    Ich habe ganz vergessen, ihm meine Telefonnummer zu geben. Aber ich habe ja seine.
    »Ich ruf’ dich dann an«, sage ich zum Abschied.
     
    Dann steige ich in die Bahn ein. Was war denn das? Ich sehe ihn beim Wegfahren, wie er da steht mit seinen großen Augen. Wer hat den denn rausgelassen, denke ich kurz. Aber das denkt er bestimmt auch von mir.
     
    Sonntag, 11. Dezember 2012
    Mittag.
    Ich rufe ihn vom Festnetz aus an. Ich weiß nicht, wie man es richtig einstellt, aber andere sehen auf ihrem Display »Unbekannt«. Er geht nicht ran. Es kommt kein AB.
     
    Abend.
    Ich rufe ihn vom Festnetz aus an. Er geht nicht ran. Wieder kein AB. Egal. Aber komisch. Würde ich auf einen Anruf warten, nähme ich das Handy mit aufs Klo. Ich bin so verknallt. Ich muss es aufschreiben. Nur für mich:
     
    Lieber Marc,
    um drei stehe ich in der Drehtür, sie öffnet sich, und da bist Du! Neugierig und erwartungsvoll stehst Du ganz nah an der Tür – und ich plötzlich vor Dir. Wir begrüßen uns spontan mit Wangenkuss. Und das Beste: Du gefällst mir! Wir bringen unsere Mäntel zur Garderobe und werden wie selbstverständlich zusammengelegt, den Chip nehme ich. Wir besuchen die Ausstellung »Haunted by Objects« von Zvi Goldstein. Ein riesiger Raum, die Wände vollgehängt mit Gegenständen. Vor einem Bett stehend, beginnen wir uns kennen zu lernen und reden einfach drauflos. In kürzester Zeit entdecken wir Gemeinsamkeiten
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