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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating
Autoren: Gill Gartenstadt
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wir uns nur zum Reden treffen.« Und die andere? Ich traue mich gar nicht zu fragen.
    »Die Anfragen waren alle so komisch, die Plattform taugt eigentlich nichts«, berichtet er.
     
    Wir kommen jetzt endlich an den Rhein. Zur Blauen Stunde. Der Abendhimmel hat sich rosa verfärbt, mein Blick schweift über die schönen alten pastellfarbenen Hausfassaden von Oberkassel und die grünen Rheinwiesen. Links ist der Fernsehturm. Ein befreiender Anblick, diese Weite des Himmels und der Rhein. Meine alte Heimat. So lange bin ich nicht hier gewesen, ich fühle mich befreit. Frei. Wir laufen die Treppe runter zur Uferpromenade, mit den so schön in Wellenlinien geschwungenen Bodenplatten. Ich kann mich noch daran erinnern, wie meine Eltern und ich sie bewundert haben, als sie neu waren.
    »Wusstest du, dass der Rhein zur Zeit so wenig Wasser hat, dass man die sogenannten ›Hungersteine‹ sehen kann? Immer wenn diese Steine sichtbar wurden, fiel die Ernte schlecht aus, wegen Trockenheit«, erzähle ich. Das habe ich gestern in der Rheinischen Zeit gelesen, als ich mit Flora beim Logopäden saß und auf Leon wartete. Er lernt gerade das »SCH«.
    Die Außencafés, auch Kasematten genannt, sind trotz Kälte gut besucht, überall stehen Heizpilze.
    Ich möchte Marc küssen, weiß aber nicht wie und wo. Und es ist mir ganz wichtig, dass ich ihn küsse, wie im Märchen vom Froschkönig.
    »Hast du dir bei Stelldichein eigentlich mal unsere Profile im Vergleich angeschaut? Du bist ganz nah bei Nähe, und ich stehe ganz weit weg bei Distanz«, sage ich.
    »ACH was man da mit Multiple Choice eingibt, hat doch nicht viel zu bedeuten. Aber ich wollte gerade deine Hand nehmen, und da fängst du an zu reden. Ausgerechnet über Nähe und Distanz.«
    MIST. Das tut mir leid.
    »Ist schon komisch. Ich weiß nicht, warum ich so nah bei Distanz stehe«, überlege ich laut.
     
    Wir laufen. Weiter und weiter. Ich schaue ihn an. Er hat seinen Mantelkragen hochgeklappt. Der Kragen vom schwarzen Wollmantel ist Lila. SO COOL. Darunter sehe ich einen Pickel am Hals. Genau wie Felix, der auch immer mit Akne zu kämpfen hat. Solche Männer fühlen sich meist nicht wohl in ihrer Haut. Dann sehe ich, dass er sich beim Rasieren rechts neben seiner Nase geschnitten hat. Dass mir das erst jetzt auffällt. Vielleicht blutet das wegen der Kälte? Eigentlich liebe ich solche kleinen Schönheitsfehler. In meinen Augen erhöhen sie die Attraktivität eines Mannes ungemein, weil sie vielleicht etwas Intimes sind. Da ich so lange mit einem Mann zusammen gelebt habe, kann ich mir genau vorstellen, wie er vorm Spiegel stand und sich geschnitten hat. Und dann denke ich an das, was er über sich geschrieben hat. Seine romantischen Sehnsüchte. Ich will ihn unbedingt küssen, weiß aber noch nicht wie.
    »Wie bist du eigentlich dazu gekommen, ein Buch zu schreiben? Was hat dich dazu bewegt?«, frage ich.
    »Ich habe so viel für andere als Ghostwriter geschrieben. Jetzt will ich endlich mal meinen eigenen Namen auf dem Titel sehen.«
    »Wovon handelt denn das Buch? Was ist dein Thema?«
    »Das wird ein Liebesroman, der in verschiedenen Städten spielt. Es geht auch um die Stadt als lebendigen Organismus, als Lebewesen und wie es die Menschen, die darin leben, beeinflusst. Wenn eine Stadt ein Mensch wäre, wie wäre er und wie wären seine Beziehungen zu anderen Menschen/Städten? Es sind zwei Liebesgeschichten, von denen ich noch nicht weiß, wie die zweite ausgeht. Ich möchte dir gerne daraus vorlesen. Werden wir uns denn wiedersehen?«
    »Ja. Ja!«
    Was für eine Frage? Ich will ihn doch unbedingt! Zeige ich das zu wenig? Oder kokettiert er nur? Um mich aus der Reserve zu locken? Das wird ihm gleich gelingen.
     
    Wir sind schon rechts abgebogen, die Straße ist schmal und leer. Und dann kann ich mich nicht mehr beherrschen. Jetzt oder nie! Ich halte in der linken Hand meine gelbe Handtasche am recycelten Autogurt und stolpere auf ihn zu. Er steht da und schaut mich verblüfft an. In seinem Gesicht sehe ich Überraschung und Freude. Ich nehme ihn mit meinem rechten Arm um seinen Nacken und ziehe ihn ganz nah an mich heran. Schwitzkasten. Unsere offenen Münder treffen aufeinander. Ich schaue nach unten, sein Bart macht mich so an. Ich schließe die Augen, neige den Kopf und Kuss! MMH. Er macht mit und geht auf mich ein. Dann umarmt er mich, und wir stehen lange so da. Ich bin so erregt und atme tief, wie bei der Geburtsvorbereitung gegen die Wehen, die man so
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