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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating
Autoren: Gill Gartenstadt
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dass wir uns an so verschiedenen Orten und Zeiten schon mal über den Weg gelaufen sein könnten?« Das klingt so naiv, mit welcher Begeisterung er das sagt, aber ich finde es so nett!
     
    Wir sind jetzt am Ende der zweiten Wand angelangt. Er hat schon mehrmals versucht, mich von hinten zu sehen, aber ich habe mich immer wie eine Kompassnadel mitgedreht und ihm zugewandt, was er bestimmt irritierend fand. Ich hatte das Gefühl, er könnte mir von hinten zu nahe treten, mich gar anfallen wie ein hungriges Raubtier – und umarmen. Jetzt erst lasse ich es zu, dass er hinter mich gelangen kann. Ich betrachte die Wand mit dem kleinen kopflosen Frauenkörper und merke, wie er um mich herumschleicht. Es macht mich richtig nervös und erregt mich sehr.
    Marc erzählt von einer Ausstellung in Bonn, die er kürzlich besucht hat, und ich kann mich nicht auf das konzentrieren, was er sagt. Ich denke nur, dass er nicht soviel reden braucht, um mir zu gefallen.
    »Wie heißt der Architekt von dem Museum?« Eine kleine Stichprobe. Diese Frage wird er mir als Architekt doch sicher beantworten. Aber:
    »ACH mir fällt es gerade nicht ein.«
    »Macht doch nichts.«
    »Das ärgert mich aber, dass mir das jetzt gerade nicht einfällt.« Es ist ihm unangenehm. Hat er gemerkt, dass es eine Prüffrage war und hat deshalb jetzt so eine Art Blackout?
    »Kennst du das Museum auf der ehemaligen Raketenstation in Neuss? Die Langen Foundation. Ein neues Gebäude von dem japanischen Architekten Tadao Ando. Den habe ich im Haus der Kulturen der Welt 6 mal live auf seinem Vortrag erlebt. Würdest du mit mir da hingehen?«, frage ich.
    »Ja KLAR, gerne.«
    Ich gebe mir Mühe und hoffe, dass er das mag, was ich da rede.
    »Und was machst du so als Architekt?«
    »Ich habe ein ökologisches Fertighaus entwickelt.« Seine linke Augenbraue geht hoch, und er muss schlucken, als wäre das zu lange her, um sich damit zu identifizieren. Oder es ist eine Lüge, und er befürchtet, ich könnte jetzt genauer nachfragen.
    »Aber eigentlich arbeite ich vorwiegend wissenschaftlich, indem ich Professoren inhaltlich zuarbeite. Ich habe mir die Themen aus der Philosophie und Soziologie selbst erarbeitet.«
    »ACH.«
    AHA, die seltene Spezies eines Privatgelehrten. Das ist höchst ungewöhnlich, auf so jemanden zu treffen, denke ich voller Bewunderung.
    »Warst du an den Unis als künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig?«, frage ich ihn.
    »Als Freiberufler.«
    »Ich habe nach dem Studium auch an der Uni gearbeitet und immer schon gerne viel geschrieben.«
    »An der UdK?«, fragt er anerkennend.
    »Ja.« Jetzt könnte auch er denken, ich improvisiere hier meinen Lebenslauf, damit wir möglichst viel gemeinsam haben. Ich war sogar Dozentin, aber ich will lieber nicht zu dick auftragen. Das soll man als Frau nämlich nicht tun, habe ich auf Stelldichein gelesen, sonst verschreckt man den Mann.
    »Ich schreibe gerade ein Buch. Ist das akzeptabel für dich?«, will er wissen.
    »NA KLAR. Ich habe parallel zum Ausstellungsdesign noch einen interaktiven Laufsteg entwickelt. Passanten lösen im Vorübergehen Geräusche und Bodenprojektionen vor den Geschäften aus. Daher weiß ich, wie es ist, wenn man alleine etwas produziert und es später erst zu Markte trägt.«
    Wir stehen vor afrikanischen Masken.
    »Ich habe einen Freund in Südafrika, der betreibt mit seiner Frau eine Farm, auf der behinderte Kinder reiten können«, sagt er.
    »Wo denn da?«, frage ich überrascht. »Nach der Schule habe ich ein Jahr in Südafrika gelebt und auch behinderte Kinder betreut.«
    »In der Nähe von Kapstadt«, sagt er.
    »SO WAS. Genau da war ich auch. Da ist es wunderschön. Warst du schon mal da?«, frage ich.
    »Nein.«
    »Den Freund solltest du unbedingt mal besuchen!« Oder wäre es jetzt angebrachter, von einer möglichen gemeinsamen Reise zu sprechen?
    »Ich war in Hermanus. Ein alter Fischerort. Da kommen im Oktober die Wale zum Kalben hin, und man kann sie von der Küste aus beobachten. Mit einem Ultraleichtflugzeug bin ich übers Meer geflogen und habe die Wale von oben gesehen.«
    Solche Geschichten sind doch genau das Richtige beim ersten Date.
    »Ist das nicht seltsam, dass ich von meinem Freund erzähle und du genau da gewesen bist?«
    Ich weiß nicht, ist das alles Zufall, oder hat er nur gründlich mein Profil gelesen und will mich hier verschaukeln? Deshalb frage ich nach:
    »Welche Behinderungen haben denn die Kinder?«
    »Das sind vorwiegend Kinder von
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