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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating
Autoren: Gill Gartenstadt
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das hat mich sehr berührt«, sage ich.
    »Du hast gar nicht mehr zurückgeschrieben. Du sollst wissen, dass ich mich sehr zurückgenommen habe, ich wollte es diesmal nicht vermasseln.«
    Mir fällt seine Formulierung auf, wie er die Sätze beginnt mit »Du sollst wissen«, irgendwie magisch.
    »Warum hast du mich nicht angerufen?«
    »ACH ich neige dazu, viel über mich zu erzählen. Und ich wollte nicht anschließend feststellen müssen: OH NEIN, DEM habe ich DAS alles erzählt?« Ich mache ein angewidertes Gesicht und lache, als ich seine großen Augen sehe.
    »Du hast zwei Kinder?«, fragt er neugierig.
    »Ja, Leon und Flora.«
    »Wie alt sind sie denn?«
    Ich bin überrascht, dass er sich so ernsthaft für die Kinder interessiert.
    »Leon ist 4 und Flora 2.« Ich verhasple mich ein wenig mit dem Alter, weil ich sehe, wie wichtig ihm die Antwort ist.
    »Ich habe ganz vergessen zu fragen, ob du sie nicht mitbringen möchtest.« Wie nett, dass er das sagt.
    »ACH NEE, die Kinder sind noch viel zu klein für eine Ausstellung.«
     
    Der Raum ist abgedunkelt, die Gegenstände an den Wänden sind beleuchtet und in angenehmen Erdtönen. Das Bett ist mir aufgefallen, da standen wir lange vor. Und dann hängen hier ganz viele alte Bürostühle und daneben Bohrmaschinen und ein kleiner Frauentorso ohne Kopf.
    »Ich bin übrigens schon seit einem Jahr getrennt«, sage ich.
    »Gut, dass du gekommen bist.«
    Er gefällt mir sehr. Er trägt einen hellblauen Wollpullover mit V-Ausschnitt, darunter ein weißes Hemd und eine dunkle Stoffhose. Er erinnert mich an die Männer, die ich in Berlin kannte, vorwiegend Architekten und Designer.
    Ich habe ein schwarzes Rollkragenshirt an, auf dem meine Kette mit dem bunten Papagei aus Emaille gut zur Geltung kommt. Dazu einen dunkelroten Babycordrock mit zweireihiger Knopfleiste vorne und schwarze Lederstiefel. Meine Handtasche ist aus gelber, recycelter LKW-Plane. Daran hängt ein rotes Stoffschildchen mit aufgestickter weißer Schrift, das ich mal auf einer Flugshow gekauft habe: »REMOVE BEFORE FLIGHT« 3 . Ich liebe Details.
    »Wo würdest du anfangen, wenn du in eine Ausstellung kommst?«, will er wissen.
    »Weiß nicht, irgendwo.«
    »Nein, wie gehst du vor, wenn du sie dir erarbeiten willst?«, will er ganz genau wissen.
    »ACH wie soll ich das beantworten, im Moment lenkst du mich sehr ab!«
    »Charmante Antwort, aber du weichst aus. Was fällt dir hier im Raum auf?«
    »Kleine Gegenstände hängen unten, damit man sie besser betrachten kann, die großen Gegenstände hängen oben. So bekommt man den Eindruck, sie würden einem irgendwie entgegenkommen. Damit es nicht allzu bedrohlich wirkt, ist der Raum vielleicht absichtlich nach oben hin offen.«
    Wir schweigen.
    »Ich bin Ausstellungsdesignerin. Ich habe in Berlin an der Universität der Künste studiert und dann auch da gearbeitet.«
    »Wo denn?«
    »Ein Büro in der alten Maggie Fabrik 4 in der Nähe vom Potsdamer Platz.«
    Ich sage nicht den Namen des Büros, weil ich einerseits hier beim ersten Date nicht mein ganzes Leben erzählen will und andererseits auch noch vorsichtig mit der Preisgabe meiner persönlichen Informationen bin.
    »Nach 13 Jahren in Berlin, lebe ich jetzt wieder in Wiesenwald, wo ich aufgewachsen bin«, sage ich.
    »Ich bin auch in Wiesenwald aufgewachsen. Mit vier kam ich mit meinen Eltern aus Israel hierher.«
    »Auf welcher Schule warst du denn?«, frage ich.
    »Wiesenwald-Gymmi.«
    »ACH, meine Freundin war auch da, und wir waren ständig auf den Stufenpartys. Miriam Merian, kennst du sie?« Komisch, ihren Namen sage ich so frei weg, aber meinen Nachnamen kennt er gar nicht.
    »Da hätten wir uns ja damals schon begegnen können. In Berlin habe ich ja auch gelebt«, sagt er.
    »Wann denn?«
    »2003-2008.«
    »Wo hast du da gewohnt?«, frage ich.
    »In Moabit.«
    »Da habe ich auch ganz am Anfang gewohnt. Kennst du die Turmstraße?«
    »Ja, genau. Die kenne ich. An der UdK war ich auch oft. Im Café Mittelachse«, sagt er.
    »Ja, das kenne ich natürlich.«
    »Und an den Cafébetreiber kann ich mich erinnern. Der hat immer aufgepasst, dass keiner kostenlos das WLAN benutzt. Mit dem konnte ich mich auf Syrisch unterhalten.« Ich bin beeindruckt. Für sprachlich begabte Männer habe ich eine Schwäche.
    »Mein Lieblingsort in Berlin ist der Schleusenkrug 5 «, sage ich nach einer Pause.
    »Ja, da war ich auch oft. Auch da hätten wir uns schon begegnen können.«
    »Komisch.«
    »Ist das nicht seltsam,
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