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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating
Autoren: Gill Gartenstadt
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hier auf dem Sofa, Mutter zweier Kinder und zerbreche mir über ein paar halbe Sätze den Kopf? Immer wieder starre ich auf diese dürren Zeilen. Ich verstehe sie einfach nicht. Ich schreibe so gut wie nie SMS und kann mit dieser Art von Kommunikation nichts anfangen. Ich weiß einfach nicht, was er mir damit sagen will. Hat er kein Interesse? Nerve ich mit meinen Anrufen? Will er nur nett sein, und ich darf ihm meine Kontaktdaten für den Fall hinterherschicken, dass er ganz vielleicht sich nochmal melden will? Falls er mich nicht vergessen hat in ein paar Tagen? Und dann fällt mir ein, wie wir durch die Altstadt liefen und er eine SMS beantwortet hat. Vielleicht fährt er jetzt mit der anderen von Stelldichein nach Sylt? Sie sitzt gerade auf seinem Bett, und er sagt zu ihr so was wie: »HEY Schatz, ich muss gerade noch diese SMS beantworten. Du weißt, ich habe soviel zu organisieren für meine New York Reise, aber rede ruhig weiter.« Noch schlimmer, er hat während wir durch die Altstadt liefen, der anderen schon eine SMS geschickt, ob sie am Abend noch Zeit hätte. Aber rede ruhig weiter? Frechheit! Deshalb ist er in Düsseldorf geblieben und nicht mit mir nach Wiesenwald zurückgefahren.
    Es wühlt mich alles so auf, ich schreibe in mein liebes Tagebuch, bei dem es sich eigentlich nur um eine einzige Textdatei mit bisher einem Eintrag handelt, Folgendes:
     
    Montag, 12. Dezember 2011
    Ich habe schon dreimal versucht Dich anzurufen, Du bist nicht dran gegangen. Dann habe ich Dir eine SMS geschickt, ob Du mich zurückrufen magst. Aber Du schriebst, dass es momentan schwierig sei, und Du doch schon früher nach Sylt fährst. In dem Moment war ich so enttäuscht, dass ich nur da saß, wie gelähmt, und mit einem großen Radiergummi in meinem Kopf herumschrubberte. Mein Herz braucht eine Wollmütze! Danach noch eine SMS, ob ich Dir wohl nochmal meine Nummer und E-Mail-Adresse schicken könnte, die SMS sei »gefressen worden«. Was für ein bescheuerter Ausdruck! Jedenfalls war ich so leer auf einmal, dass ich dachte, ich könnte mich auch selber ganz gut warm halten mit meiner dicken Daunenjacke.
     
    Mittwoch, 14. Dezember 2011
    Immer noch denke ich an Dich und daran, was Du alles zu mir gesagt hast. Du hattest mich ja sogar gefragt, ob ich mit Dir nach Sylt mitfahren würde. Da kann die SMS ja jetzt doch keine Absage gewesen sein? Ich kann nur abwarten und hoffnungsvoll romantisch sein! Ich habe heute sehr an Dich gedacht und sah dann, dass es zufällig kurz nach drei war. Vielleicht hast Du um die Uhrzeit unseres Treffens auch an mich gedacht, und ich habe es gespürt? Ich glaube fest daran, dass zwei Leute gleichzeitig aneinander denken. Ich bin Dir lieber so verbunden, als über SMS oder E-Mail. Du sagtest, Du freust Dich auf unser nächstes Treffen, und ich hoffe, das ist schon bald.
     
    Immer wieder beschäftig mich die Frage – leider ungewollt – wieso er nicht einfach mit mir telefoniert hat. Ich konnte ihm spontan nicht meine E-Mail-Adresse schicken, weil sie direkt zu meinem Portfolio führt. Arbeitsproben, Name, Adresse, Lebenslauf. Das werfe ich doch keinem Mann hinterher, der nicht mit mir sprechen möchte, wenn ich ihn anrufe.
    Auf Stelldichein stoße ich auf ein Forum, auf dem sich erwachsende Menschen um die 40 seitenweise darüber austauschen, wer wann wen nach dem ersten Date anrufen darf. Ich finde den Eintrag einer Frau, die schreibt, dass immer wenn sie zuerst anrief, sie gleich verloren hatte. Das ist nicht gerade aufmunternd, jetzt.
     
    Liste der Dinge, die ich in den folgenden Wochen tue, ungefähr in dieser Reihenfolge:
     
    – Kondome gekauft. (Schon am 12. Dezember)
    – Meine grauen Haare tönen lassen, Dark Brown.
    – Meinen dunklen Zahn vorne für 50 Euro bleichen lassen.
    – Unzählige Male auf mein Handy gestarrt.
    – Immer wieder seine SMS angeschaut und mir den Kopf zerbrochen.
    – Sein vorher bei Stelldichein kopiertes Profil wieder und wieder durchgelesen.
    – Sein Foto ab und zu angeschaut.
    – Mir abends beim Einschlafen vorgestellt, er würde mich umarmen.
    – Aus der Bettdecke einen Zipfel gezogen und nachts gehalten wie seine Hand.
    – Im Internet Bettwäsche mit Blumendruck bestellt.
    – Mit Flora in die Stadt gefahren und Dessous gekauft.
    – Flora in der Kabine gewickelt. Der Laden war die nächste Stunde bestimmt kundenfreie Zone.
    – Im Baumarkt eine neue Fußmatte für die Haustür gekauft.
    – Großformatiges Kunstwerk einer befreundeten Berliner
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