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Auszeit

Auszeit

Titel: Auszeit
Autoren: Marco von Münchhausen
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und die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit dazu führen, in der Gegenwart bewusster, dankbarer und intensiver zu leben.
    Dass das Bewusstsein der Endlichkeit des Lebens zu einem Tor zur inneren Freiheit und Erfüllung werden kann, kommt im folgenden Text zum Ausdruck. In seinem 2004 erschienenen Roman Nachtzug nach Lissabon lässt Pascal Mercier eine der beiden Schlüsselfiguren, den portugiesischen Arzt Amadeu Prado, folgende Gedanken äußern:
    Memento mori. (…) Sich darauf besinnen, was man eigentlich möchte. Das Bewusstsein der begrenzten, ablaufenden Zeit als Kraftquelle, um sich eigenen Gewohnheiten und Erwartungen, vor allem aber den Erwartungen und Drohungen der anderen entgegenzustemmen. Als etwas also, das die Zukunft öffnet und nicht verschließt. (…) – »Warum soll ich daran denken, das Ende ist das Ende, es kommt, wann es kommt, warum sagt ihr mir |45| das, das ändert doch nicht das geringste.« – Was ist die Erwiderung? »Verschwende deine Zeit nicht, mach aus ihr etwas Lohnendes« – Doch was kann das heißen: lohnend ? Endlich dazu übergehen, langgehegte Wünsche zu verwirklichen. Den Irrtum angreifen, dass dafür später immer noch Zeit sein wird. Das Memento als Instrument im Kampf gegen Bequemlichkeit, Selbsttäuschung und Angst, die mit der notwendigen Veränderung verbunden ist. Die langerträumte Reise machen, diese Sprache noch lernen, jene Bücher lesen, sich diesen Schmuck kaufen, in jenem berühmten Hotel eine Nacht verbringen. Sich selbst nicht verfehlen.
    Auch größere Dinge gehören dazu: den ungeliebten Beruf aufgeben, aus einem gehassten Milieu ausbrechen. Tun, was dazu beiträgt, dass man echter wird, näher an sich selbst heranrückt. Von morgens bis abends am Strand liegen oder im Café sitzen: Auch das kann die Antwort auf das Memento sein, die Antwort von einem, der bisher nur gearbeitet hat. »Denk daran, dass du einmal sterben musst, vielleicht morgen schon.« – »Ich denke die ganze Zeit daran, deshalb schwänze ich das Büro und lass mich von der Sonne bescheinen.«
    Die scheinbar düstere Mahnung sperrt uns nicht in den verschneiten Klostergarten. Sie öffnet den Weg nach draußen und erweckt uns zur Gegenwart. – Eingedenk des Todes die Beziehung zu den anderen begradigen. Eine Feindschaft beenden, sich für getanes Unrecht entschuldigen , Anerkennung aussprechen, zu der man aus Kleinlichkeit nicht bereit war. Dinge, die man zu wichtig genommen hat nicht mehr so wichtig nehmen: die Sticheleien der anderen , ihre Wichtigtuerei, überhaupt das launische Urteil, das sie über einen haben. Das Memento als Aufforderung, anders zu fühlen.
    |46| Allerdings ergänzt er einige Zeilen später:
    Für vieles, was wir erleben, ist entscheidend, dass es nicht mit dem Gedanken an die Endlichkeit verbunden ist, eher mit dem Gefühl, dass die Zukunft noch sehr lang sein wird. Es hieße, dieses Erleben im Keim zu ersticken, wenn das Bewusstsein des bevorstehenden Todes einsickern würde.
    Fragen zum Nachdenken
Welche Dinge werden mir angesichts der Endlichkeit meines Lebens bewusst, die ich eigentlich noch verwirklichen oder erleben will?
Inwiefern kann das Bewusstsein der Vergänglichkeit auch für mich zu einem Tor zu größerer innerer Freiheit und intensiverem Erleben der Gegenwart werden?
Bei welchen Gelegenheiten kann ich dagegen ohne irgendeinen Gedanken an die Endlichkeit vollkommen im Augenblick eintauchen und alles andere vergessen?

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|47| Tragender Halt
    Wenn ein Schiff in Sturm gerät, ist es entscheidend, ob es noch rechtzeitig einen sicheren Ankerplatz oder Hafen erreichen kann. Auch wer im Leben in eine schwere Krise gerät, wirtschaftlich, gesundheitlich oder im persönlichen Bereich, beispielsweise durch den Verlust einer nahestehenden Person, fragt sich, wo er Halt findet, was ihn in dieser schweren Zeit trägt. – Solange alles gut läuft, wie oft in der Jugend, drängt sich diese Frage nicht auf. Dann kann man bei Sonnenschein und gutem Wind über die blaue Meeresfläche segeln. Erst wenn plötzlich die Sturmwolken aufziehen, wird es entscheidend, ob wir noch einen Hafen finden, ob Schiff und Masten halten. Und wenn wir durch eine Krise hindurchgegangen sind, stellt sich die wichtige Frage, was uns letztlich getragen und uns Halt gegeben hat.
    Ein Mann lag schon einige Wochen auf dem Krankenbett , und die Ungeduld zu genesen und wieder ein ganzer Mensch zu sein, wuchs von Tag zu Tag.
    Da hatte er eines Nachts folgenden
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