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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften
Autoren: Richard Wagner
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von dem der Anerkennung der Welt übergebenen Werthe derselben, eine beseligende Sühnung zu erkennen, während das Thier, ohne jede Vernunfterwägung eines etwaigen sittlichen Vortheiles, ganz und rein nur der Liebe und Treue sich opfert, – was allerdings von unseren Physiologen auch als ein einfacher chemischer Prozeß gewisser Grundsubstanzen erklärt zu werden pflegt.
    Diesen in der Angst ihrer Verlogenheit auf dem Baume der Erkenntniß herumkletternden Affen dürfte aber jedenfalls zu empfehlen sein nicht sowohl in das aufgeschlitzte Innere eines lebenden Thieres, als vielmehr mit einiger Ruhe und Besonnenheit in das Auge desselben zu blicken; vielleicht fände der wissenschaftliche Forscher hier zum ersten Male das Allermenschenwürdigste ausgedrückt, nämlich: Wahrhaftigkeit , die Unmöglichkeit der Lüge, worin, wenn er noch tiefer hineinschaute, die erhabene Wehmuth der Natur über seinen eigenen jammervoll sündhaften Daseinsdünkel zu ihm sprechen würde; denn da, wo er wissenschaftlichen Scherz treibt, nimmt es das Thier ernst. Von hier aus blicke er dann zunächst auf seinen wahrhaft leidenden Nebenmenschen, den in nackter Dürftigkeit geborenen, vom zartesten Kindesalter an zu Gesundheit zerrüttender übermäßiger Arbeit gemißbrauchten, durch schlechte Nahrung und herzlose Behandlung aller Art frühzeitig dahinsiechenden, wie er aus dumpfer Ergebenheit fragend zu ihm aufschaut: vielleicht sagt er sich dann, daß dieser nun doch jedenfalls wenigstens ein Mensch, wie er, sei. Das wäre ein Erfolg. Könnt ihr dann dem mitleidigen Thiere, welches willig mit seinem Herren hungert, nicht nachahmen, so suchet es nun darin zu übertreffen, daß ihr dem hungernden Nebenmenschen zur nöthigen Nahrung verhelft, was euch ganz leicht fallen dürfte, wenn ihr ihn mit dem Reichen auf gleiche Diät setzet, indem ihr von der übermäßigen Kost, von welcher dieser erkrankt, jenem soviel zumäßet, daß er davon gesunde, wobei von Leckerbissen, wie Lerchen, welche sich in der Luft besser ausnehmen als in euren Mägen, überhaupt nicht die Rede zu sein brauchte. Allerdings wäre dann zu wünschen, daß eure Kunst hierfür ausreiche. Ihr habt aber nur unnütze Künste gelernt. Von dem bis auf einen gewissen fernen Tag zu verzögernden Tode eines sterbenden ungarischen Magnaten hing die Erlangung gewisser enormer Erbschaftsansprüche ab: die Interessirten setzten ungeheure Salaire an Ärzte daran, jenen Tag von dem Sterbenden erleben zu lassen; diese kamen herbei: da war etwas für die »Wissenschaft« los; Gott weiß was Alles verblutet und vergiftet ward: man triumphirte, die Erbschaft gehörte uns und die Wissenschaft ward glänzend remunerirt. Es ist nun nicht wohl anzunehmen, daß auf unsere armen Arbeiter so viel Wissenschaft verwendet werden dürfte. Vielleicht aber etwas Anderes: die Erfolge einer tiefen Umkehr in unserem Inneren.
    Sollte das gewiß von Jedem empfundene Entsetzen über die Verwendung der undenklichsten Thierquälerei zum vorgeblichen Nutzen für unsere Gesundheit – das Schlechteste was wir in einer solchen herzlosen Welt besitzen könnten! – nicht ganz von selbst eine solche Umkehr herbeigeführt haben, oder hatten wir erst nöthig, damit bekannt gemacht zu werden, daß diese Nützlichkeit irrthümlich, wenn nicht gar trügerisch war, da es sich hierbei in Wahrheit nur um Virtuosen-Eitelkeit und etwa Befriedigung einer stupiden Neugier handelte? Wollten wir abwarten, daß die Opfer der »Nützlichkeit«, sich auch auf Menschen-Vivisektion erstrecken? Mehr als der Nutzen des Individuum's soll uns ja der des Staates gelten? Gegen Staatsverbrecher erließ ein Visconti, Herzog von Mailand, ein Strafedikt, wonach die Todesqualen des Delinquenten auf die Dauer von vierzig Tagen berechnet waren. Dieser Mann scheint die Studien unserer Physiologen im Voraus normirt zu haben; diese wissen die Marter eines hierzu tüchtig befähigten Thieres in glücklichen Fallen ebenfalls auf gerade vierzig Tage auszudehnen, jedoch weniger wie dort aus Grausamkeit, sondern aus rechnender Sparsamkeit. Das Edikt Visconti's wurde von Staat und Kirche gut geheißen, denn Niemand empörte sich dagegen; nur solche, welche die angedrohten furchtbaren Qualen zu erdulden nicht für das Schlimmste erachteten, fanden sich angetrieben den Staat in der Person des Herrn Herzogs bei der Gurgel zu fassen. Möge nun der neuere Staat selbst an die Stelle jener »Staatsverbrecher« treten, und die Menschheit schändenden Herren
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