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Außer Atem - Panic Snap

Außer Atem - Panic Snap

Titel: Außer Atem - Panic Snap
Autoren: Laura Reese
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und erzählt mir, welche Rebsorten – Zinfandel, Cabernet, Sauvignon, Merlot, ein wenig Malbec – an welchem Hang gepflanzt sind. Einige Rebstöcke sind dick, kahmig und knorrig, andere schlank mit zerbrechlich wirkenden Zweigen. Alle sind kahl. Massen hellgelber Senfpflanzen schießen wuchernd aus dem Boden und lassen die Rebstöcke nur noch unfruchtbarer wirken.
    Er biegt nach Westen ab und deutet auf den schmalen gewundenen Pfad, der zu seinem Haus führt. Als ich ihn sagen höre: »Mein Haus«, spüre ich ein nervöses, aufgeregtes Flattern in der Brust. Ich kann das Haus vom Auto aus nicht sehen, da es hinter einem kleinen Hügel versteckt steht, aber mir ist klar, dass es gut möglich ist, dass ich es schon mal von innen gesehen habe. Wenn ich siebzehn war, als ich James kannte – minderjährig –, und er achtundzwanzig, hat er mich wahrscheinlich vor seiner Familie versteckt, aber in sein Haus könnte er mich trotzdem mitgenommen haben.
    Heimlich beobachte ich ihn, während er fährt. Ich weiß, dass er mich auf eine schräge Art anzieht – das habe ich bereits gespürt, als er mir die Hand schüttelte. Ich möchte die Hand ausstrecken und ihn berühren, doch das tue ich natürlich nicht. Was würden meine Psychiater und Ärzte jetzt sagen? – Ich finde den Mann, der möglicherweise für den Angriff auf mich verantwortlich ist, und statt Abscheu zu empfinden fühle ich mich von ihm angezogen. Es ist verführerisch wie ein warmes Feuer an einem verregneten Tag: Ich möchte näher an ihn heranrücken. Dabei ist mir durchaus klar, wer er ist, und ich weiß um die Gefahr, die er darstellt. Ein warmes Feuer mag sich gut anfühlen, doch die Flammen können meine Haut versengen. Ich lehne mich mehr zur Tür.
    Verstohlen riskiere ich einen weiteren Blick. Sein Haar ist dick und glatt und von der Sonne ausgelaugt, goldfarben von endlosen Stunden im Freien; er sieht gut aus, wirkt aber eher derb als kultiviert. Einer von den Männern, die eine Frau gern um sich hat, wenn Gefahr in Verzug ist. Sein Aussehen signalisiert Stärke. Vielleicht ist es auch Macht. Wieder bin ich überwältigt. Es ist, als ob er besonders viel Raum einnimmt, über die Grenzen seines Körpers hinaus. Ich frage mich, ob ich ihm gewachsen sein werde, wenn es so weit ist – und ich bin sicher, dass es irgendwann so weit sein wird.
    Er parkt vor der Kellerei, dem massigen Bau aus efeuberankten mausgrauen Steinquadern, erwähnt, dass das Gebäude vor der Jahrhundertwende errichtet worden ist, und führt mich durch die Hallen, wobei er gelegentlich stehen bleibt, um ein paar Worte mit einem der Arbeiter zu wechseln. In hell erleuchteten Räumen mit weiß gekalkten Wänden zeigt er mir die Doppelreihen zylindrischer Gärungstanks, ein schimmerndes Filtersystem, riesige Edelstahl-Abfülltanks mit Kühlummantelung und eine von Glas umschlossene automatische Abfüllstation. An den Wänden entlang schlängelt sich ein Gewirr aus Glasröhren, mit deren Hilfe der Wein von einem Behälter in den anderen umgefüllt wird. Ein Mann in kniehohen schwarzen Gummistiefeln spritzt den Betonboden ab. Er dreht das Wasser ab und nickt uns zu, als wir vorbeigehen. Dann führt James mich in einen nasskalten Raum, in dem Dämmerlicht herrscht, und ich sehe Reihen über Reihen von liegenden Eichenfässern, in denen der Wein aus der Hefe reift, wie James sagt. Ein durchdringender gäriger Holzgeruch steht in der Luft.
    Wir gehen nach draußen, müssen im plötzlich hellen Licht blinzeln, und ich sehe in der Nähe des Gebäudes auf einem großen Betonareal unzählige weitere Gerätschaften zur Weinherstellung liegen – riesige V-förmige Tröge, Fülltrichter, große rechteckige Maschinen aus Edelstahl, Schläuche und weitere Fässer und Tanks. Ich bin sicher, dass hier eine gewisse Ordnung herrscht, doch für mich sieht es einfach chaotisch aus. Wir gehen hinüber, und James beginnt, mir die Funktionen der großen Gerätschaften zu erklären.
    »Was ist denn hier passiert?«, frage ich, als ich vor einer Maschine stehe, die er Traubenpresse nennt – ein riesiger zylindrischer Tank, der auf der Seite liegt und durch einen Metallrahmen gesichert ist. Ein Teil der Rahmens ist demoliert und verzogen.
    »Ein Unfall«, sagt er. »Jemand hat den Strom angestellt und nicht darauf geachtet, dass die rückwärtige Tür der Presse noch offen stand. Sie können sie von hier aus nicht sehen, aber sie ist aus massivem Stahl. Zum Glück stand in dem Moment niemand in der Nähe der
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