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Außer Atem - Panic Snap

Außer Atem - Panic Snap

Titel: Außer Atem - Panic Snap
Autoren: Laura Reese
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heiraten. Und als sie an ihrer Doktorarbeit saß, hat sie es sich plötzlich anders überlegt. Damals hat sie sich entschlossen, sich um das Familienunternehmen zu kümmern.«
    »Dann ist ja alles gut ausgegangen«, sage ich.
    »Ja. Natürlich sind beide Kinder hier aufgewachsen und waren in der Kellerei immer mit eingespannt. Sie haben an den Wochenenden und in den Sommerferien geholfen, aber eine Leidenschaft für die Weinproduktin hatten sie beide nicht. James kehrte vom College zurück...«
    »Auf welchem war er denn?«, werfe ich ein.
    »Auf der Universität in Davis«, sagt sie. »Dort waren sie beide.«
    Und ich auch, denke ich.
    »Wie auch immer«, sagt Mrs. McGuane. »James kam aus dem College zurück – sein Vater wollte ihn unbedingt zu seinem Nachfolger heranziehen – doch er war jung und rastlos und eher an Frauen als an Wein interessiert. Es sah ganz so aus, als hätte James zu wenig Verantwortungsbewusstsein, um Byblos zu leiten, und als wäre Gina zu gleichgültig. Und dann haben beide Kinder sich praktisch über Nacht derart für das Unternehmen engagiert, als wäre das schon immer ihre wahre Bestimmung gewesen. Heute lieben beide die Weinkellerei genauso, wie ihr Vater es getan hat.«
    »Ziemlich ungewöhnlich«, sage ich, »dass beide sich zur gleichen Zeit umentschlossen haben, oder?«
    »Zwillinge«, sagt Mrs. McGuane achselzuckend, als ob das Erklärung genug sei.
    »Wie alt waren sie damals?«
    »Als sie sich für die Weinkellerei entschieden?« Sie steht auf und streckt sich, dann winkt sie ab. »Ich weiß es nicht«, sagt sie. »Ende Zwanzig? Ja, vielleicht. Es ist schon so lange her.«
    Ich merke, dass sie mit ihren Gedanken ganz woanders ist, vielleicht beim Geschirr für das Abendessen, doch die Bedeutung ihrer Enthüllung ist mir nicht entgangen. Sowohl James als auch Gina haben ihr Leben ungefähr zu dem Zeitpunkt dramatisch umgekrempelt, als ich zum Sterben verurteilt wurde. Ich gebe den Kuchenteig in eine Springform, schiebe sie in den Herd und stelle die Uhr ein.
    »Ich hole den Ersatzschlüssel für James' Haus«, sagt Mrs. McGuane und geht hinaus.
    An Reihen von Rebstöcken vorbei fahre ich den Weg hinunter. Zur Rechten sehe ich den Geschäftsführer der Weinkellerei, einen stämmigen Mann mit einer Haut, so braun und dick wie Leder. Er steht mitten in einer Pflanzung und inspiziert die Rebstöcke. Als ich vorbeifahre, winkt er mir zu. Vor zwei Wochen haben die Männer die Gärten mit einer Scheibenegge bearbeitet, damit der Senf die knospenden Rebstöcke nicht schädigt; nachdem nun fast alle gelb blühenden Pflanzen untergepflügt sind, sehen die Gärten viel gepflegter aus. Ich schaue zu dem Schlüsselbund hinüber, das ich auf den Beifahrersitz geworfen habe. Ich habe nur eine Dreiviertelstunde Zeit, dann muss der Kuchen aus dem Herd. Fünfundvierzig Minuten, um James' Haus zu durchsuchen.
    Die Straße, die zu seinem Haus führt, macht einen Bogen nach links und umrundet den kleinen, mit Eichen bewachsenen Hügel. Weiter vorn sehe ich einen weiteren Weingarten. In den wenigen Wochen, die ich in Napa bin, haben sich die Weingärten im ganzen Tal verändert. Zuerst sind die Blattknospen gewachsen, dann sind die neuen zarten, flaumigen Triebe hervorgekommen. Die Rebstöcke sehen immer noch knorrig und tot aus, und trotzdem sprießen die jungen, zarten und sehr grünen Blätter in kleinen Büscheln aus den Spitzen der Zweige und recken sich der Sonne entgegen. Aus der Ferne sehen die bepflanzten Hänge wie flauschige Bettdecken mit strengen Reihen hübscher grüner Stickereien aus. Da ich bislang keinerlei Bezug zum Leben auf dem Land hatte, habe ich den Wechsel der Jahreszeiten auch nie so hautnah erlebt. Natürlich zieht man irgendwann die Winterkleidung aus und schlüpft in kurzärmelige Hemden, wenn die Tage wärmer und länger weden, aber mehr hat die jeweilige Jahreszeit für mich auch nicht bedeutet – es handelte sich um einen allmählichen Wetterwechsel, der einen Wechsel der Garderobe mit sich brachte.
    Auf Byblos aber und überall in den Napa- und Sonoma-Tälern sehe ich, wie anders die Menschen hier auf den Frühling reagieren. Für sie bedeutet er den Beginn der Wachstumsperiode, eine Zeit des Neubeginns, des neuen Wachstums und der fieberhaften Landbearbeitung: Sie eggen, richten die Rebstöcke auf und bewässern sie, rumpeln auf Treckern zwischen den Reihen entlang und versprühen feine Schwefelwolken, mit denen dem Mehltau vorgebeugt wird. Etwas Erwartungsvolles
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