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Ausgewichtelt

Titel: Ausgewichtelt
Autoren: Paula Havaste
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müde.«
    Auch wenn der Weihnachtsmann sich nach seiner warmen Stube sehnte, merkte er doch, dass ihn die frische Luft aufmunterte. Die Krähe flog zielstrebig vor ihm her, um wieder einem armen Geschöpf aus der Patsche zu helfen. Das war eine gute Tat. Der Weihnachtsmann riss sich zusammen.
    »Entschuldige, ich wollte nicht meckern. Die frische Luft tut gut. Aber willst du mir nicht endlich sagen, wohin wir gehen?«
    »Das kann ich dir nicht erklären. Nur noch ein kurzes Stück, dann siehst du es selbst.«
    Die Strecke war ziemlich weit. Nachdem sie den Korvatunturi hinter sich gelassen hatten, überquerten sie mehrere Anhöhen. Bergab kam der Weihnachtsmann schnell voran, bergauf kämpfte er sich mit schweißnassem Rücken den Weg hoch, angespornt von der Krähe. Schließlich erreichten sie einen breiteren Bach. Er wurde allmählich zu einem kleinen Fluss, der sich zwischen vereisten Sümpfen und kleinen Hügeln dahinschlängelte. Hinter einer Kehre kamen plötzlich eine kleine graue Sauna, eine Wohnhütte, Ställe und weiter hinten eine Darre in Sicht. Schon von Weitem sah man, dass der Hof verlassen war. Im Schnee vor dem Haus waren nur die Spuren eines Hasen zu sehen. Hier war er mit den Hinterläufen abgesprungen, dort hatte er die Vorderpfoten ordentlich hintereinandergesetzt, um sich dann wieder mit den Hinterläufen zu einem prächtigen Sprung abzustoßen. Alles war vollkommen still. Kuh- und Pferdestall waren kalt, und auch die Sauna schien im unberührten Schnee zu frieren.
    »Kraak! Zur Darre!«
    Die Darre stand ein wenig abseits. Auf ihrem Dach lag eine dicke Schneeschicht. Der Weihnachtsmann überlegte, wen er dort wohl antreffen würde.
    Vor dem Eingang türmte sich eine Schneewehe auf. Es wurde immer kälter, der Frost zwickte an den Wangen und den Ohren. Der Weihnachtsmann zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht und zog an der Tür, doch der Schnee lag so hoch, dass sie sich nicht öffnen ließ. Der Weihnachtsmann schaufelte ihn mit beiden Händen fort und warf ihn hinter sich.
    »Dabei wird einem wenigstens warm«, murmelte er.
    »Pass doch auf!«, rief die Krähe empört, als sie von einer Ladung Schnee getroffen wurde.
    Sie nieste und schüttelte sich, doch dann kam sie auf die Idee, mit dem Schnee zu spielen. Sie krächzte begeistert, flog gerade so weit weg, dass die nächste Ladung sie nicht treffen konnte, sauste dann im Sturzflug unter die wirbelnde weiße Masse und flatterte mit den Flügeln, dass der Schnee nur so stob.
    Als der Eingang endlich freigeschaufelt war, klopfte der Weihnachtsmann höflich an. Drinnen raschelte es leise, dann war nichts mehr zu hören.
    »Dürfen wir da überhaupt rein?«
    »Na, deswegen sind wir doch hier«, antwortete die Krähe.
    Der Weihnachtsmann zog die Tür behutsam auf; die Scharniere, die lange nicht benutzt worden waren, knarrten leise. Ein kalter Geruch nach vergangenen Jahren strömte dem Weihnachtsmann entgegen. In der Ecke sah er einen aus großen Steinen gebauten Ofen. Darin hatte man früher ein Feuer angezündet, das die Steine erhitzte und seine Wärme in die ganze Darre ausstrahlte, nach dem gleichen Prinzip wie ein Saunaofen. Allerdings goss man in einer Darre kein Wasser auf die Steine. In einer Darre trocknete man Getreide. Der Weihnachtsmann glaubte einen Augenblick lang, den Duft trocknender Getreidekörner wahrzunehmen, doch die Darre war leer und verlassen. Über allem lag der traurige Geruch des Vergessens. Als sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, entdeckte der Weihnachtsmann Anzeichen dafür, dass tatsächlich jemand in der Darre wohnte. Die Lüftungsklappe an der Rückwand war geöffnet, und davor stand eine kleine Leiter. Auf diesem Weg konnte das Geschöpf, das hier hauste, ein und aus gehen.
    Der Weihnachtsmann lauschte angespannt. In der eiskalten Darre war es vollkommen still.
    »Wie schade, dass eine so schöne Darre leer steht«, sagte er zu der Krähe.
    Da kam ein kläglicher Laut aus der dunkelsten Ecke hinter dem Ofen.
    »Du meine Güte, ist hier jemand? Komm hervor, wir wollen nur guten Tag sagen.«
    Hinter dem Ofen bewegte sich etwas, dann wurde es wieder still.
    »Kraak, Weihnachtsmann«, meldete sich die Krähe. »Das ist einer von den Zauberkräftigen, er kann sich nicht jedem zeigen. Du weißt doch Bescheid, du gehörst ja auch irgendwie zu denen.«
    Das stimmte. Ohne seine Zauberkraft wäre der Weihnachtsmann ein ganz normaler Mensch gewesen, für den Weihnachten ein schönes Fest war, nicht mehr. Dank
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