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Ausgewichtelt

Titel: Ausgewichtelt
Autoren: Paula Havaste
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Adoptivgeschwister. Kyksi zeigte der Krähe noch am selben Abend die Wirtschaftsgebäude und alles andere, was zum Hof gehörte, und während der nächsten Tage flogen sie gemeinsam hierhin und dorthin. Die Krähe flog langsam vorneweg, während die Sumpfmeise heftig mit den Flügeln schlug, um nicht hinter ihrem großen Bruder zurückzubleiben.
    Zum Glück war die Krähe wieder bei Kräften und brauchte keine Pflege mehr. Doch bald fragte sich der Weihnachtsmann, ob er vom Regen in die Traufe geraten war. Nachdem die Krähe nämlich so liebevolle Pflege erhalten hatte, beschloss sie, selbst zum Wohltäter zu werden. Wenn sie durch den Wald flog, lauschte sie auf jeden Hilferuf. Bald brachte sie einem hungrigen Dompfaff Körner, bald trug sie trockenes Moos zu einem frierenden Eichhörnchen und beförderte ein Mausejunges, das sich verlaufen hatte, in seinen Bau zurück. Immer wieder alarmierte sie den Weihnachtsmann: Er musste einer Auerhenne helfen, die vom Ast gefallen war, einem Hasen, der sich den Knöchel verstaucht hatte, und einem Fuchs, dessen Schwanz unter einem umgestürzten Baum eingeklemmt war. Natürlich half der Weihnachtsmann den Waldbewohnern gern. Das hatte er immer schon getan: Auch im Sommer hatten die Bachgeister ihn oft geholt, damit er ihnen half, moosig gewordene Quellen zu reinigen und verknotete Teichrosenblätter aufzudröseln. Anderen zu helfen machte gute Laune, doch jetzt hatte der Weihnachtsmann manchmal das Gefühl, dass es einfach zu viele Hilfsbedürftige gab. Schließlich musste er Geschenke für das nächste Weihnachtsfest basteln und konnte nicht pausenlos den Tieren zu Hilfe eilen.
    Vorläufig grämte er sich aber nicht weiter darüber, denn ansonsten war es wunderbar friedlich in seiner Hütte. Wenn Kyksi und ihr großer Bruder durch den Wald flogen, herrschte in der Stube himmlische Ruhe.
    Kyksi und ihr Krähenbruder waren wieder zu einem Ausflug aufgebrochen, und der Weihnachtsmann, der gerade ordentlich gefrühstückt hatte, fühlte sich angenehm schläfrig. Es war still im Haus. Er legte sich auf die Bank, schloss die Augen und spürte, wie ihn die Müdigkeit umspülte. Es war, als liege er am Ufer eines großen Gewässers, wo der Schlaf in sanften Wellen näher und näher kam. Doch da hüpfte plötzlich ein grauer Vogel an den Schlafstrand und krächzte.
    »Kraak! Du willst doch nicht etwa schlafen?«
    Das Schlafmeer verschwand, und der Weihnachtsmann seufzte.
    »Ein Vormittagsschläfchen solltest du mir doch gönnen.«
    »Du hast in letzter Zeit kaum etwas anderes getan, als zu schlafen. Und da du jetzt zufällig wach bist, kannst du mir auch gleich helfen. Mich jucken die Nackenfedern«, krächzte die Krähe, reckte den Hals und fuhr mit ihrer Predigt fort. »Du solltest öfter an die frische Luft gehen, das sagt Kyksi auch. Natürlich wird man müde, wenn man immer nur am Kaminfeuer hockt. Kyksi und ich sind schon eine weite Runde geflogen, während du vom vielen Schlafen ganz muffig bist.«
    Der Weihnachtsmann sah verlegen zu Boden. Tatsächlich, er hatte viel zu lange in der Stube gehockt. Er war schmuddelig und miefig, hätte sich längst wieder die Zehennägel schneiden und die Zähne putzen müssen.
    »Du hast ja recht. Was hältst du davon, wenn wir die Sauna heizen? Während sie warm wird, könnten wir eine Wanderung machen. Kommst du mit, Krähe?«
    »Warum nicht. Und unterwegs schauen wir uns ein Geschöpf an, das Hilfe zu brauchen scheint.«
    Der Weihnachtsmann seufzte. Schon wieder war eine gute Tat zu vollbringen!
    Im Winter sind die Tage in Lappland kurz. Über dem Hof lag bereits die blaue Nachmittagsdämmerung. Windstöße wirbelten losen Schnee auf. Im Saunaofen knisterte bald ein ordentliches Feuer, und der Rauch stieg wie eine dicke Säule zum Himmel auf. Der Weihnachtsmann schob seine Stiefel in die Skibindungen und glitt geschwind über den Schnee. Die Krähe musste kräftig mit den Flügeln schlagen, um sein Tempo zu erreichen.
    »Deine Skier tragen dich so schnell, als ob du fliegen würdest. Aber warte nur, bis es bergauf geht. Dann musst du dich abmühen, dass der Schweiß nur so strömt. Auf Flügeln wärst du längst am Ziel.«
    »Stimmt, aber ich kann nun mal nicht fliegen. Es bleibt mir keine andere Wahl, als den Weg auf Skiern zurückzulegen. Obwohl es ehrlich gesagt doch ganz schön wäre, am Kamin zu faulenzen. Kyksi hat es ja auch vorgezogen, sich unter der Traufe auszuruhen, anstatt uns zu begleiten. Ich bin immer noch furchtbar
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