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Ausgewechselt

Ausgewechselt

Titel: Ausgewechselt
Autoren: Paola Zannoner
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«,murmeltesieundversuchteseinemBlickauszuweichen.Erwarihrnochniesoanziehendvorgekommen.Natürlichwusstesieschonlange,dassLeogutaussah,daswarkeinGeheimnis,inderSchulewarerderSchwarmallerMädchengewesen,jedenfallsvordemUnfall.Damalswarerihreinfachnureitelundgroßkotzigvorgekommen,soüberzeugtvonsich,dassesschonabstoßendwar.SeineAugenwarenihrkaltundleervorgekommen,seinGehabeübertrieben,wiebeieinerKarikatur.VordemUnfallschienes,alswürdeLeoberühmteFußballerimFernsehenbeobachtenundihreBewegungenundGestenimitieren.AberderJunge,mitdemsiejetztihreTageverbrachte,wareinandererLeo,erwarnachundnachausdenTiefenaufgetaucht,indiederLeovonfrüherihnvergrabenundverbannthatte.InihrenAugenschobsichnunderneueLeoüberdieGestaltdesalten,dielangsamverblasste,erbekamandereKonturen.Erwirktefreier,ungezwungener,niemanderwartete,dassereineRollespielte.SosprengtederneueLeodieselbstangelegtenKettenundbauteseineunsichtbareStadt,nacheinemgeheimenPlan,mitungeahnterKraft,unddieseKraftließseineAugenstrahlen,alsobersagenwollte:»Ichselbst bin der Plan und ich selbst bin das Ziel.«
    »Weißt du, wohin ich diesen Sommer fahre?« Leos Blick suchte ihre Augen. Viola hob nur kurz den Kopf, sie hatte Angst, ihre Gefühle zu verraten.
    »Ähm, wohin?«
    »Nach Lyon.« Er wartete auf ihre Reaktion, doch sie sagte nur: »Ah.«
    »Was ist? Geht’s dir nicht gut?«
    Viola entgegnete ungeduldig: »Nein, alles in Ordnung. Vielleicht die Hitze. Und dann dieser Lindenduft … «
    »Wollen wir woandershin?«
    »Nein, nicht so wichtig. Ich ruhe mich ein bisschen aus.«
    »Mach es dir bequem.« Er deutete auf seine Beine.
    Viola legte ihren Kopf auf Leos Oberschenkel, während er weitererzählte. »Ich habe etwas Tolles entdeckt.« Er zog ein Buch aus dem Rucksack.
    »Sieh mal.«
    Vor Violas Augen erschien das Bild eines Gebäudes in Form eines riesigen Insektenflügels. Ruckartig richtete sie sich auf und nahm das Buch in die Hand. »Das … Was ist das?«
    »Toll, was? Das ist ein Flughafen. Er sieht aus wie eine gigantische Fliege, schau genau hin. Die Flügel, der Körper, die Augen. Ganz aus Beton, Stahl und Glas, aber trotzdem wirkt alles leicht und lebendig.«
    Viola wandte sich zu ihm um und sagte verwirrt: »Aber genau das habe ich geträumt. Ich habe all das im Traum gesehen, ich schwöre.«
    Leo legte den Kopf zur Seite. »Geträumt?« Er lächelte, aber ohne jeden Hauch von Ironie.
    Viola sah wieder nach unten und betrachtete das Bild. »An diesem Tag, als wir von der unsichtbaren Stadt gesprochen haben. Ich habe von einer Stadt aus Insektenflügeln und Pflanzen geträumt, mit Gebäuden wie diesem.«
    Wie aus weiter Ferne drang Leos Stimme an ihr Ohr: »Vielleicht hast du diese Gebäude schon mal irgendwo gesehen, sie sind sehr berühmt.«
    Viola las den Namen auf dem Umschlag des Buches: »Santiago Calatrava. Wer ist das?«
    »Ein spanischer Architekt. Sieh mal«, Leo blätterte um, »das ist der Bahnhof von Lissabon.« Viola betrachtete die Säulen, die aussahen wie Palmen, die Dächer, die Libellenflügeln nachempfunden waren, und den weitläufigen Vorplatz, der im Sonnenlicht glänzte. Leo erzählte begeistert: »Ich habe den Bildband in der Buchhandlung auf dem Tisch mit den Empfehlungen gesehen, als ich wie üblich dort herumgestöbert habe. Schon beim Durchblättern habe ich Gänsehaut bekommen. Erinnerst du dich an die Stadt, von der wir gesprochen haben?«
    »Die unsichtbare Stadt … «
    »Aberdasdagibtestatsächlich,dieGebäudesindreal.EsgibtkeineBegrenzungen,keineHindernisse,keineEckenundKanten,allesist … rundundglatt.DieharmonischenFormensindderNaturnachempfunden,sostehtesauchimBuch,wieSkeletteoderKnorpelgerüste,wennduinsoeinGebäudehineingehst,hastdudasGefühl,alswürdestduineinenKörpereindringen.«
    Viola sah wieder auf und Leos vor Begeisterung strahlendes Gesicht schien sie anzuziehen wie ein starker Magnet. Seine Augen glänzten, während er weitersprach: »Das ist die Zukunft, wie ich sie mir vorstelle. Als ich dieses Buch gesehen habe, wusste ich, dass es genau das ist, was ich in meinem Leben machen möchte. Ich will studieren, um Städte wie diese zu konstruieren, ich will Häuser bauen, die es heute noch nicht gibt. Aber in meinem Kopf, da gibt es sie schon.«
    Viola war ihm jetzt so nah, dass sich ihre Köpfe fast berührten. Sie konnte nichts anderes mehr wahrnehmen als diese gefährliche Nähe, Leos Geruch, der durch seine Worte zu ihr strömte, und – ob sie wollte oder nicht – sie musste diesem inneren Drang
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