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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition)
Autoren: Minck
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konnte.
    »Hand drauf«, sagte Heibuch und streckte mir seine Pranke entgegen. »Ich bin der Günni. Sechsfuffzich die Stunde plus Trinkgelder. Du kannz Montag anfangen.«
    »Ja, dann … Danke, Herr Heibuch. Ich heiße Maggie.«
    »Auf gut Deutsch also Maggi«, sagte er, »Wie dat Gewürz. Wenn dat ma kein gutes Zeichen is.«
    Wolfi hatte er mir wohlweislich an dem Tag verschwiegen. Dafür bekam ich einen umso intensiveren Eindruck von ihm, als ich zwei Tage später um sechs Uhr morgens neben Günter Heibuch und seinem Erstgeborenen auf dem Weg zum Schlachthof im Transporter saß. Wolfi, so wurde ich instruiert, war Günters Augenstern, sein Liebling, sein Ein und Alles. Was er auch sofort unter Beweis stellte, als er ihn den großen Transporter lenken ließ, während er sich eine Zigarette drehte.
    »Der kann dat super, der Wolfi. Ne?! Wolfi? Autofahren is toll.«
    Wolfi hielt mit starrem Blick auf die Straße das Lenkrad mit der linken Hand fest und lachte, während der Bordstein immer schneller auf uns zurauschte.
    Ich weiß bis heute nicht, was mich davon abgehalten hat, an der nächsten Ampel auszusteigen.
    Die Wochen waren ins Land gegangen, ich hatte mich mit Wolfis irritierenden Verhaltensweisen arrangiert, mit Dennis dem ständig unter Strom stehenden Junior, und ich hatte mich sogar an die Else und ihr überbordendes Gluckengehabe gewöhnt und mittlerweile erfahren, dass sie eigentlich Petra hieß. Petra machte alles und konnte alles. Und jedes Mal, wenn Wolfi auftauchte, spreizte die Glucke ihr Gefieder und gackerte, was das Zeug hielt. Wolfi dies, Wolfi das. War Wolfi nervös, dann sang sie für ihn Kinderlieder und alte Discohits aus den Achtzigern, so lange, bis er sich wieder beruhigt hatte und mitsang. Waren alle drei Heibuch-Männer im Betrieb, schien sie sich zu verdoppeln und plötzlich zusätzliche Arme und Beine zu generieren, wie eine indische Göttin – hätte nur noch gefehlt, dass sie auch noch mit sich selbst im Chor sang. Wenn man sie so sah, hatte man den Eindruck, das Wort ›Multitasking‹ sei für sie erfunden worden. Ich dagegen hatte ja schon Schwierigkeiten, eine Ladung Pommes nicht anbrennen zu lassen, wenn ich gleichzeitig noch drei Bratwürste wenden musste. Und singen konnte ich schon gar nicht.
    Petra umsorgte, fragte, gab Ratschläge, und dass sie ihrem Gatten nicht auch noch die Schnürsenkel mit der Linken zuband, während er die Zeitung las und sie mit der Rechten die Hausmachersülze machte, war fast schon überraschend. Petra war die Anlaufstelle für alle: für ihre Kunden in der Metzgerei, für ihre Familie und für ihre Angestellten. Mir schien es, als würde sie nie schlafen gehen und als würde ihre Energie aus einer geheimen Quelle gespeist. In mir keimte der Verdacht, dass sie nur alle paar Stunden ihre Finger in eine Steckdose hielt, um ihre Akkus aufzuladen. In den drei Monaten, die ich bereits für die Heibuchs arbeitete, hatte ich von ihr nie auch nur ein böses Wort gehört – egal, ob ich den hausgemachten Fleischsalat versalzen hatte oder für eine Party ohne Brot losgefahren war und den ganzen Zeitplan ins Schleudern gebracht hatte. Petra meckerte nicht, sondern wusste sofort, was zu tun war. Zur Not schickte sie mir ein Taxi mit dreißig Stangen Baguette hinterher, um die Situation zu retten, mit einem Zettel, auf dem lediglich stand, ich möge beim nächsten Mal bitte besser aufpassen.
    Die drei Heibuchmänner führten dank ihrer ›Else‹ ein königliches Leben, und wir Angestellten eben auch. Dafür, dass man relativ wenig Stundenlohn bekam, hatte man den kompletten Familienanschluss, ob man wollte oder nicht. Eines war jedenfalls klar: Solange ich bei den Heibuchs arbeitete, würde ich nie verhungern – und deswegen machte ich meinen Job so gut ich konnte und schleppte Tonnen um Tonnen von kalten und warmen Platten mal zu Familienfesten, bei denen Onkel Otto so lange Reden hielt, dass ich mittels Blumenspritze den Salat frisch halten musste, mal zu Trauerfeiern oder zu Taufen. An manchen Tagen machte mir der Job sogar Spaß, vor allem, wenn ich irgendwas dekorieren oder arrangieren durfte, weil Dennis keine Zeit dafür hatte. Wenn ich auch nicht den leisesten Hauch einer Ahnung vom Kochen hatte – wie etwas auf dem Teller gut aussieht, damit kannte ich mich sehr wohl aus. Schließlich war ich vor der großen Katastrophe in meinem Leben in vielen Fresstempeln der gehobenen Preisklasse gewesen.
    Manchmal haperte es bei mir noch an der
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