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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition)
Autoren: Minck
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herzlich und ich immer auf der Flucht vor ihm und seinen klaren blauen Augen.
    »Jetzt machen Sie doch nicht so ein Gesicht, Herr Matti«, sagte ich, stieg in den Transporter und knallte die Fahrertür zu.
    »Frau Margret«, sagte er und klopfte an die Scheibe.
    Ich ließ das Fenster herunter. »Ja?«
    »Ich wollte nur … wollte Sie fragen, ob Sie mit mir …«
    »Hey, Maggie«, hörte ich Winnie rufen und war erleichtert, dass er die kleine Balkonszene störte. Ich hätte nicht gewusst, wie ich eine Essenseinladung von Matti ausschlagen sollte, ohne ihm das Herz zu brechen. Ich hatte schon zweimal abgesagt, immer unter den fadenscheinigsten Ausreden, was er natürlich gemerkt hatte, was mir wiederum total peinlich war. Nicht, dass ich Matti unsympathisch gefunden hätte. Er war eine Seele von Mensch und … nicht zuletzt mein Held und Lebensretter. Er war einfach alles, was ich nicht war. Wie sollte bei mir da
nicht
die Panik ausbrechen?
    Winnie kam mit einer Magnum-Champagnerflasche unterm Arm zur rechten Zeit. Er schwenkte in der anderen Hand drei Gläser und tänzelte über das Kopfsteinpflaster der Gußstahlstraße.
    »Hallo Matti«, sagte er. »Ich hatte Sorge, ihr wärt schon weg.« Aus seinen sommersprossigen Wangen waren bereits rote Apfelbäckchen geworden, ein Zeichen dafür, dass er schon mehr als ein Glas genossen hatte. »Ich wollte fragen, ob wir uns gleich noch im Café Madrid treffen? Ich glaube, einen gemütlichen Absacker ohne die wild gewordene Bagage können wir alle gebrauchen. Elli will auch weg.«
    »Warum ins Madrid? Im Dollarhaus ist doch für alles gesorgt«, antwortete ich und lehnte dankend ab, als er mir ein Glas Champagner hinhielt.
    »Da drin haben die grad die Schallgrenze für sittliches Benehmen überschritten. Wenn ich noch fünf Minuten bleibe, müsste ich die ersten Leute festnehmen oder die Kollegen von der Sitte anrufen. Das will ich aber nicht.«
    »Na, toll. Ich bin müde, Winnie. Ein andermal. Ich muss morgen ganz früh schon wieder antanzen. Spießbratenbude, Ochsenorgel, Mittelaltermarkt, du verstehst.«
    »Und was ist mit Ihnen, Mat … ti?«
    Winnie schaute sich um, aber Matti war schon verschwunden.
    »Was hat er denn?«, fragte Winnie.
    »Finnischen Blues, fürchte ich«, gab ich zur Antwort und startete den Diesel.
    »Woran du nicht ganz unschuldig bist, Gnädigste«, sagte Winnie und grinste von einem Ohr zum anderen. »Wo der schweigsame Finne grad die Haare lang trägt, sieht er richtig verwegen aus …«
    »Winnie, ich muss los«, fuhr ich ihm dazwischen. Aber der Herr Kommissar war mit seiner Paartherapie noch nicht fertig. »… und ich glaube, er mag dich … na ja, vermutlich ist das das Problem …« Er seufzte.
    »Winnie … Tschüss!« Ich legte den ersten Gang ein.
    »Du hörst mir ja gar nicht zu, Maggie.«
    »Genau, und du mir auch nicht. Kannst ja morgen mal am Zelt vorbeischauen. Ich geb’ dir ein Mittagessen aus.«
    »Geht nicht«, sagte er und klopfte mit der flachen Hand auf seinen nicht vorhandenen Bauch. »Ich hab morgen frei.«
    »Ist Nikolaj mal wieder im Anflug, und der Herr Kommissar will sein Sixpack nicht demolieren? Dreht er keine Pirouetten für dich, wenn es irgendwo wabbelt?«
    »Nein, diesmal achte ich auf mein Gewicht, weil ich das meinem neuen Anzug schuldig bin. Man trägt in einem Anzug von Hedi Slimane keine Speckröllchen herum. Das gehört sich nicht. Sagt Oma Berti, und Karl Lagerfeld. Und bevor du vor Neugier platzt: Ich habe mir den Anzug geleistet, weil ich ihn morgen bei einer Matinee und einem anschließenden Empfang in der Frankfurter Oper tragen will. Und ja, Nikolaj wird da sein – die ganze Tanz-Compagnie reist aus Amsterdam an. Die bekommen nämlich einen europäischen Kulturpreis verliehen.«
    »Na dann, viel Spaß«, sagte ich und gab Gas. Der Transporter holperte über das Kopfsteinpflaster, im Laderaum schepperte das dreckige Geschirr in seinen Kisten, und ich verfluchte meine verspannten Nackenmuskeln und die Kopfschmerzen, die sich bei Winnies freudig vorgetragenen Plänen eingestellt hatten. Die Ampel an der Alleestraße war grün, und ich nahm die Rechtskurve etwas zu schnell. Im Laderaum fiel polternd der Schokoladenbrunnen um.
    Maggie Abendroth! Wie viel Punkte gibst du diesem Abend auf deiner nach oben offenen Aschenputtel-Skala?, feixte meine innere Stimme. Drei für Wolfis Totalausfall, fünf für Winnies neuen Anzug und weitere sechs für die tadellose Figur, die er in dem Meisterwerk der
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