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Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi

Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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keuchen, tue alles, um ihn abzuschütteln. Er stößt mir das Knie in den Oberschenkel, ich knicke zusammen, er reißt mich hoch. Da ist die Lade mit den Messern. Ich wehre mich, schlage aus, aber ich bekomme kaum noch Luft. Ich bin ihm nicht gewachsen. Aus dem Schankraum höre ich noch immer Lachen. Ich rieche eine Mischung aus Schweiß und Alkohol.
    Das war es, was Onkel Franz noch halb bewusstlos an Wagner erinnert hat. Der Alkoholgeruch. Ich stöhne dumpf. Der Ton ist viel zu leise, um aus der Küche zu dringen, ich stöhne in mich hinein.
    Demetz hat die neue Faschiermaschine angeworfen. Er sagt kein Wort. Der Motor fährt hoch, trotzdem höre ich weiter sein Keuchen an meinem Ohr, rieche Alkohol und Schweiß. Er hat mich gegen die Arbeitsfläche gedrückt, die eine Hand noch immer vor meinem Mund. So viel Speichel. Ich werde ersticken. Er reißt meinen rechten Arm in die Höhe. Ich wehre mich verzweifelt, es ist ein Kampf, den ich verlieren muss. Er hat viel mehr Kraft, Zentimeter um Zentimeter ruckt meine Hand näher zum Mahlwerk. Hungriges Mahlen, nicht laut, aber gefährlich. Ich bekomme keine Luft mehr. Will mich noch einmal losreißen. Er hat damit nicht gerechnet. Fast hätte ich mich befreit, aber schneller, als ich denken kann, hat er meine Hand erneut nach oben gedrückt, lehnt sich mit seinem gesamten Gewicht gegen mich. Ich versuche meine Finger im Einfüllschacht zu verkrallen.
    Ein Schrei, hoch, wie der Schrei eines Urwesens. Demetz zuckt zusammen, jemand hängt sich von hinten an ihn, einige lähmende Sekunden erbitterter Kampf. Dann lässt er mir für einen Moment etwas mehr Spielraum, ich reiße die Hand herunter, stoße ihm meinen Ellbogen mit voller Gewalt in den Magen. Jemand dreht die Faschiermaschine ab. Demetz will fliehen. Ich hinterher. Da ist Vesna, sie wirft sich von hinten auf ihn. Plötzlich viele Arme und Beine und Geschrei. Das Licht geht an. Jetzt ist Demetz an die Arbeitsfläche gedrückt, Manninger und Mahmet halten ihn fest. Er sieht sich um wie ein gehetztes Tier.
    Die Messerlade steht halb offen, bevor ich noch warnen kann, hat sich Demetz mit letzter Kraft losgerissen, er greift in die Lade, reißt ein Messer heraus und stößt es sich in die Brust.
    Ich sehe, wie Demetz in die Knie geht, sich am Wärmeschrank ankrallt, zu Boden gleitet. Er hat auch diesmal genau getroffen. Sein Blick ist leer. Hinter den Augen ist keiner mehr.
    Die ersten Worte fallen, als Billy den Gemeindearzt und die Rettung herbeischreit. Sie brüllt, als gäbe es keine Telefonverbindung, als müsste ihr Schreien sie direkt erreichen.

17.
    Die nächsten Tage nehme ich wahr, als würde ich mir selbst beim Reden und Erzählen zuschauen. Ich sehe mich, wie ich Radio- und Fernsehinterviews gebe. Ich sehe Billy und Daniel, sie haben einander, und ich bin gar nicht mehr eifersüchtig. Manninger reist wieder nach New York ab, er spricht Billy sein volles Vertrauen aus.
    Ich sehe Vesna, die dafür sorgt, dass Oskar trotz Prozess für zwei Tage nach Wien fliegt. Ich sehe, wie ich Oskar umarme und er mich umarmt. Es ist, als könnte ich mich nur noch dokumentieren, aber nicht mehr spüren.
    Der Chefredakteur klopft mir auf die Schulter, fordert mich auf, die »persönlichste Reportage« zu schreiben, die jemals geschrieben wurde. Ich sehe mich, wie ich nicke, und schreibe alles nieder.
    Am nächsten Mittwoch ist das »Magazin« ausverkauft. Ich bekomme eine Prämie. Billy sperrt den Apfelbaum wieder auf. Ich fahre trotzdem von der Redaktion direkt nach Hause, setze mich auf das Sofa, drehe den Fernseher an.
    Gismo setzt sich auf meinen Schoß. Ich streichle sie mechanisch. Sie schlägt mir ihre Krallen in den Unterarm. Ein heller Schmerz, ich zucke zusammen. Gismo starrt mich mit ihren kreisrunden gelben Augen an. Langsam stehe ich auf, gehe ins Badezimmer, wische mir das Blut ab. Fünf tiefe Kratzer.
    Dann gehe ich in die Küche, suche nach einer neuen Flasche Whiskey und schenke das Glas fast bis zur Hälfte voll. Ein paar Tropfen Wasser dazu, so, wie es sich gehört. Ich nehme einen Schluck, blicke mich um und bin wieder auf der Welt. Sie ist anders geworden, aber sie ist meine.
    Ich lache und weine, füttere Gismo mit Oliven und fahre dann los. Auf zum Apfelbaum.

Danke!
    … an Manfred Buchinger, ohne ihn hätte ich dieses Buch nicht schreiben können. Er hat mir erlaubt, in seiner Haubenküche mitzuarbeiten. Dabei können Profis üblicherweise ganz gut ohne die hingebungsvolle Tätigkeit von
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