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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Autoren: Andreas Eschbach
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Die Stühle waren mit Namensschildern versehen, die Sitzordnung sorgsam von Diplomaten ausgetüftelt worden.
    Trotz des viel betrauerten Todes von König Faruq – er war vor wenigen Wochen in hohem Alter friedlich entschlafen, ein Schicksal, das wenigen Herrschern vergönnt ist – wehte die saudische Fahne nicht auf Halbmast. Das tat sie niemals, hatte Frieder gelernt, denn der Schriftzug darauf, weiß auf grünem Grund, ist das muslimische Glaubensbekenntnis, das Wort Gottes also, das sich vor keinem Sterblichen neigt, auch nicht vor einem König.
    Der amtierende Regent, Talal Al-Rasheed, trat ans Rednerpult, wartete, bis Ruhe eingetreten war, und begrüßte dann die Anwesenden zur Einweihung des King-Faruq-Solarkraftwerks .
    Er würde möglicherweise bald nächster König von Saudi-Arabien sein. Die Nachfolgeregelung war in diesem Land noch nie einfach gewesen. Diesmal lief es so, dass die Majlis al-Shura , eine Art Ältestenrat, sich auf einen Kandidaten einigte, dem man die Königswürde antrug. Diesem blieb die Entscheidung überlassen, das Amt einfach anzunehmen oder aber es von einer Volksabstimmung abhängig zu machen. Bis jetzt hatte es zwei Kandidaten gegeben, der eine aus dem Kreis der Al-Shura , der andere von außerhalb. Beide hatten die Volksbefragung gewünscht – und waren gescheitert. Doch nach Faruq kam anderes eigentlich nicht mehr in Frage, und so hatte Al-Rasheed sich ebenfalls für eine Befragung des Volkes entschieden. Die Abstimmung fand in zwei Wochen statt. So lange war er nur Regent mit beschränkten Befugnissen.
    »… will ich nun dem Architekten, Konstrukteur und Erbauer der Anlage das Wort erteilen, Herrn Frieder Westermann«, schloss der Regent mit staatsmännischer Geste. Man sagte, er habe gute Chancen, akzeptiert zu werden. Er würde dann der erste König sein, der nicht aus der Familie Saud stammte.
    Frieder stand auf, ging unter dem höflichen Beifall auf die Bühne und ans Rednerpult. Er sammelte sich einen Moment, sah in das Meer der Gesichter, die ihrerseits ihn anschauten, sah dahinter das Meer aus Sand und darin, wie eine Insel aus Licht, fast magisch, das Kraftwerk. Hunderte von Quadratkilometern polierter Sonnenspiegel, gleißend wie flüssiges Silber, die von hier wie eine Fata Morgana wirkten.
    »Architekt lasse ich mich gerne nennen«, begann Frieder. »Erbauer bin ich auch – aber nur einer von über 36000 Menschen, die an diesem Projekt mitgearbeitet haben und von denen jeder seinen Beitrag geleistet hat.«
    Beifall, höflich. Nun ja. Vielleicht hatte er zu viel Brecht gelesen.
    »Konstrukteur wiederum wäre ich kein guter gewesen ohne den Rat und die Hilfe meines Kollegen Ahmad Al-Mansour, der mir viel darüber beigebracht hat, wie man in der Wüste baut.« Der knorrige alte Bauingenieur saß in der dritten Reihe und freute sich wie ein … konnte man bei diesen Temperaturen Schneekönig sagen?
    Frieder ging zu technischen Erläuterungen über, den Teil seiner Rede, der vor allem für die Journalisten gedacht war. Die anwesenden Politiker kannten seine Argumente entweder längst auswendig oder würden auch heute wieder geistig abschalten.
    »Vor dem Peak der Ölförderung betrug der Energieverbrauch der Menschheit rund sechzehn Terrawatt – das sind sechzehntausend Gigawatt oder sechzehn Milliarden Kilowatt. Erzeugt wurde diese Energiemenge größtenteils aus fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle, ferner aus Kernspaltung sowie zu einem geringen Teil aus Wasserkraft, Wind und Ähnlichem.«
    Da, der Erste nickte schon ein. War das nicht der Sultan von Oman?
    »Es war«, fuhr Frieder ungerührt fort, »als lebten wir von trockenen Brosamen, während hinter uns ein reich gedeckter Tisch steht. Denn was sind müde sechzehn Terrawatt gegen die hundertachtzigtausend Terrawatt, mit denen die Sonne unseren Planeten bestrahlt? Mehr als zehntausendmal so viel Energie, wie wir der Erde mühsam entreißen, strahlt beständig auf uns nieder – und es ist nicht nur so viel mehr Energie, es ist auch Energie, die nach unseren Maßstäben für alle Zeiten verfügbar sein und niemals schwinden wird. Es war die Entscheidung König Faruqs, dieses Geschenk des Himmels entgegenzunehmen.«
    Wieder Beifall, laut genug, um den Sultan hochschrecken zu lassen.
    »Saudi-Arabien hat damit einen Weg eingeschlagen, der dieses Land auch in Zukunft zu einem der wichtigsten Energielieferanten der Welt macht – auch, wenn dereinst das Öl völlig aufgebraucht sein wird. Wir sind heute hier,
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