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Auserkoren

Titel: Auserkoren
Autoren: PeP eBooks
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Unglück gestürzt? Wegen der Bücher? Und wegen Joshua?
    Ohne jede Vorwarnung muss ich den Bruder meines Vaters heiraten.
    Ohne jede Vorwarnung muss ich meinen eigenen Onkel heiraten.
     
     
    Mutter Claire und Vater haben geheiratet, als sie vierzehn und er siebzehn war.
    Mutter Victoria und Vater haben geheiratet, als sie dreizehn und er neunzehn war.
    Mutter Sarah und Vater haben geheiratet, als sie dreizehn und er einundzwanzig war.
    Und jetzt bin ich an der Reihe. Ich. Ich soll meinen Onkel heiraten, der mindestens schon sechzig Jahre alt ist.
    Für ihn bin ich bestimmt?
     
     
    Der Himmel ist jetzt schwarz , einzig der Halbmond ist zu sehen. Alles ist still, man hört nur Mariah weinen. Sie schreit so durchdringend, dass mein Herz einen Moment lang aussetzt. Fast kehre ich wieder um. Die Luft ist klar und frisch, obwohl die Hitze immer noch vom Wüstenboden
aufsteigt. Mein Onkel! Ich renne zu meinem Baum. Doch dann überlege ich es mir anders.
    »Ich brauche keinen Baum!«, sage ich in die Dunkelheit hinein. »Ich brauche keinen.«
    Ich mache kehrt. Ich gehe zurück, gehe an unserem Wohnwagen vorbei, in dem sich meine Familie mit dem Propheten und seinen Aposteln und dem alten Mann getroffen hat, den ich heiraten soll.
    Mein eigener Onkel.
    Ich stolpere über eine Einfassung aus Stein, die Mutter Victoria um unser kleines Blumengärtchen gelegt hat, und mit einem Seufzer falle ich direkt in ihre Petunien. Von dem süßlichen Geruch wird mir schlecht, ich glaube, ich muss mich übergeben. Meine Hände und meine Knie schmerzen von dem Sturz, und mein Schienbein fühlt sich an, als hätte es jemand mit einem Fleischklopfer bearbeitet. Einen Moment lang zögere ich. Ich würde am liebsten weinen. Ich möchte schreien wie Mariah, die jetzt wirklich außer Rand und Band ist. Aber ich höre aus dem Wohnwagen drüben auch Stimmengemurmel. Ich höre, wie einer der Männer sagt: »Sie wird noch einsehen, wo ihr Platz ist.« Und ein anderer sagt: »So Gott will.«
    Ich rapple mich wieder auf und laufe davon, zur größten Sünde meines Lebens. Ich gehe zu Joshua.
     
     
    Es war vor sieben Monaten in der Schule, als mir Joshua Johnson zum ersten Mal aufgefallen ist. (Waren die Bücher daran schuld, dass ich ihn angeschaut habe? Oder
war es mein Eigensinn?) Ich kam gerade aus dem Nähkurs und wollte nach Hause gehen.
    »Hallo, Kyra«, sagte er, als wir in der Halle aneinander vorbeigingen, und er nickte mir bedeutungsvoll zu.
    Ach herrje! Herrje! Mein Herz klopfte wie wild. Seine Augen waren so blau. Blau wie der helllichte Tag. Und mit diesen Augen sah er mich an. Mich!
    Natürlich schaut er mit diesen Augen, dachte ich, womit denn sonst? Ich blickte zu Boden, dann wieder auf Joshua. »Hallo«, sagte ich.
    Er grinste, und ich merkte, wie ich rot wurde. Ich beeilte mich, ins Freie und nach Hause zu kommen.
    Joshua. Joshua Johnson. Joshua Johnson mit den blauen Augen.
    »Meine Güte«, seufzte ich, als Laura mir entgegengelaufen kam.
    »Wohin gehst du so schnell?«, fragte sie, »und was meinst du mit ›meine Güte‹?«
    Ich schluckte, weil mir so kribbelig war, dann beugte ich mich ganz nah zu meiner Schwester. Ihre rotblonden Haare waren zu langen Zöpfen geflochten. Ihre Augen, die immerzu blinzelten, egal ob sie in die Sonne blickte oder nicht, waren forschend auf mich gerichtet.
    »Du bist verlegen«, sagte sie.
    Ich fuhr mir übers Gesicht und nickte.
    »Warum?«
    »Weil Joshua Johnson Hallo zu mir gesagt hat.«
    Laura blieb auf dem Gehweg, der vom Gemeindesaal zu unserem Wohnwagen führt, stehen. Ich sah die Sommersprossen auf ihrer Nase. »Und weiter?«

    »Was meinst du?«, sagte ich, doch dann konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. »Er ist so süß. So süß. «
    Laura sah mich einen Augenblick lang an, dann setzte sie ihren Weg fort. »Du weißt, so etwas solltest du nicht mal denken.«
    Zuerst sagte ich gar nichts, die Reaktion meiner Schwester hatte mich erschreckt. Aber sie hatte ja recht, das war mir klar. Trotzdem. »Man wird ja wohl mal schauen dürfen, oder nicht?«
    Laura sah mich nicht an, sie ging einfach weiter. »Nein«, sagte sie. »Du darfst nicht schauen und das weißt du.«
    Nach einer Weile sagte ich: »Du hast recht, Laura.«
    Sie grinste mich an und ihre blinzelnden Augen funkelten. »Dann ist es ja gut.«
    Aber ich habe trotzdem an ihn gedacht. Den ganzen Heimweg lang.
     
     
    Im Wohnwagen der Johnsons brennen noch die Lichter, deshalb warte ich. Ich warte, bis alle Lichter
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