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Aus Liebe zum Wahnsinn

Aus Liebe zum Wahnsinn

Titel: Aus Liebe zum Wahnsinn
Autoren: Georg Cadeggianini
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dazwischen – mit Erfolg: Lorenzo verliert die Lust am Nudelnmachen. Das ist unfair, denke ich mir, aber auch verdammt praktisch. Vor mir noch sieben weitere Teigklumpen.
     
    Wir wohnen in München, auf 93  Quadratmetern. Noch sind die Kinder klein, die Betten zweistöckig, ihre Pullis kann man auf DIN A 5 falten, das Bad wird nicht abgesperrt, ihre Schuhe passen ins ausrangierte CD -Regal. Aber lang wird das nicht mehr gutgehen. So wie es jetzt schon manchmal nicht mehr gutgeht. Anzeichen sind Lorenzos geschleuderte Salamibrote, Sätze wie »Ich will aus der Welt springen« oder »Ich wandere aus«. Dann Wohnungstürschlagen. Und einmal ist Lorenzo dabei sogar durch eine bodentiefe Duplex-Thermofensterscheibe gekracht, im dritten Stock, mit dem Po voraus. Zum Glück haben wir einen Balkon.
     
    Unsere Strategie bei der Mangelverwaltung: Wir bündeln Wohnabsichten. Also kein Gießkannenprinzip (gleichmäßige Verteilung der Kinder: immer zwei Betten in ein Zimmer, schaut, wer sich am besten miteinander verträgt; pro Raum einen Arbeitsplatz für jedes Schulkind; Spielecken nach Alter und Interessen). Lieber in Themen wohnen: Lieber nur zwei Schlafzimmer à drei Kinder und dafür noch ein extra Spielzimmer. Lieber enge Schreibtischplätze wie auf der Hühnerstange, als im großzügigen Wohnzimmer noch eine Arbeitsecke aufmachen. Wir, die Eltern, schlafen ohnehin schon seit Jahren in der Küche.
    Bei all dem Bündeln und Themengewohne fällt natürlich immer wieder was hinten runter. So ist zum Beispiel die Liegesituation für den Erziehungsberechtigten, der im Krisenfall (Albtraum, Backenzähne, Unwille) bei den Kindern schlafen muss, sehr, sehr lausig. Früher stand da, wo jetzt kein Platz mehr ist, noch eine Schlafcouch, aber die haben die Kinder ohnehin durchgehüpft. Der Schreibtischplatz von Camilla hat wenig, eigentlich gar kein natürliches Licht. Und nein, für acht teenagerlange Pastabänder haben wir weder einen Extraraum noch einen Hängeturm. Aber Tripp Tapps – davon haben wir genug.
    Themenwohnungen haben sich in ihrer Radikalität noch nicht durchgesetzt. In München zum Beispiel bekommt man geförderte Familienwohnungen nur, wenn man nicht mehr als zwei Kinder für ein Zimmer einplant. Und selbst diese Kleinbündelung ist nur erlaubt, wenn die Kinder gleichgeschlechtlich sind. Der Hausmeister versteht unser Winterkonzept nicht: Natürlich passen Schlitten, Doppelkinderwagen, acht Paar Winterstiefel vor die Wohnungstür. Und als Viola bei einem Einrichtungshaus nach dreistöckigen Kinderbetten fragt (»aber nicht höher als 2 , 50 «, schließlich wohnen wir nicht im schicken Altbau), wird sie ins Materiallager der Bundeswehr geschickt.
    Oder beim letzten Kindergeburtstag, ganz zum Schluss: Die Eltern standen schon in unserer Schlafküche, hielten immer mal wieder toreroartig kleine Anoraks in die Luft, bereit, ihre aufgeheizt überzuckerten Kinder einzufangen. Ich berechnete währenddessen die Ausmaße der Hölle: Bis alle meine Kinder 13  Jahre alt sind, werde ich 78 eigene Kindergeburtstage ausgerichtet haben ( 13  x  6 ). Wird zusätzlich jedes Kind pro Jahr zu – sagen wir mal – fünf Geburtstagsfeiern eingeladen, macht das noch mal 390 Fremdgeburtstage on top ( 13  x  6  x  5 ): 390 Kindergeschenke besorgen, 390 -mal hinbringen und abholen, 390 -mal Eltern, die den ganz besonderen Tag aus dem Hut zaubern wollen, 390 -mal das ganze Mittelpunktgestehe eines kleinen, überforderten Menschen. 390 -mal werde ich mich über Süßigkeitentüten ärgern, die zu Hause wieder nur für Streit sorgen. Der ganze Mist eben.
    »Am besten angekommen ist die Teebeutelrakete«, prahlte ich ein wenig in Richtung Torero-Eltern: Zündschnur, Schwarzpulver, Raketenkorpus – in jedem kleinen Teebeutel schlummert eine große Raketengeschichte.
    »Und sie ist bis zur Decke hochgestiegen«, erzählte ich weiter und stellte meinen Fuß auf einen der Tripp Trapps, dort wo jetzt Pastabänder liegen. Es wurde höflich nachgefragt. Ich antwortete.
    »Dann Löffelgrapschen und vergiftete Smarties.« Anschließend wurde über die mal dicker, mal dünner werdende Kindergärtnerin gesprochen und über die ewige Baustelle im Außenbereich. Im nächsten Gesprächsloch folgte ich dem irritierten Blick eines Vaters an die Decke unserer Küche: Die Salami. Sie war eben einfach noch etwas zu weich, sollte aushärten – nur zwei, drei Tage lang –, und dieser Haken dort oben, an dem früher einmal eine Lampe für
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