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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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oder Zucker schleppen und stapeln. Das Auswiegen und Abpacken gehörte zu den weiteren Arbeitsschritten. Das Geschäft hatte jenen Teil der Bevölkerung zu versorgen, der sogenannte Schwerstarbeiterkarten bekam. Den Inhabern dieser Karten standen zusätzliche Lebensmittelrationen zu, denn die Besatzer vertraten den Grundsatz: »Wer arbeitet, soll auch essen.«
    Langsam gewöhnte ich mich an meinen neuen Namen. Zu jener Zeit freundete ich mich mit Andrzej, dem Sohn von Oberst Stypulkowski an. Unter dem Decknamen »Chudy« (der Dünne) tauchte Oberst Stypulkowski häufig zu Beratungen bei meinem Vater auf. Andrzej arbeitete ebenfalls in der Genossenschaft, aber in einer anderen Abteilung. Unsere kärgliche Freizeit verbrachten wir zusammen. Bei ihm und bei mir hatte der Krieg die Ausbildung unterbrochen, und als Gleichaltrige bewegten uns viele gemeinsame Themen. Wir trafen uns auch mit dem etwas älteren Jurek Bogobowicz, der uns gewissermaßen betreute. Unser Anteil an der konspirativen Arbeit war damals zweitrangig, aber trotzdem betrachteten wir uns als Soldaten und führten kleine Aufgaben und Befehle aus.
    Zu den Personen, die in unsere Wohnung kamen, gehörten zwei Melderinnen, die Schwestern Wyrzykowska. Von Zeit zu Zeit tauchten die Offiziere Jȩdrysik, Michniewski und Kwiatkowski mit Meldungen bei uns auf. Welche Aufgaben sie hatten, wußte ich nicht, denn mein Vater weihte mich nicht ein. Ich konnte es mir nur denken. Und das war richtig so. Es war überhaupt besser, so wenig wie möglich zu wissen, weil stets die Möglichkeit bestand, daß jemand aufflog.
    Eines Tages erklärte mir mein Vater überraschend, daß er aus konspirativen und organisatorischen Gründen nach Radom versetzt würde. Er löste die Wohnung auf und brachte mich bei einem Unteroffizier des Infanterieregiments Czȩstochowa, dem Oberfeldwebel Madaliński, unter. Der Wechsel hatte für mich auch eine gute Seite, denn Madaliński arbeitete im selben Laden wie ich. Auf diese Weise lernte ich seine Familie näher kennen. Seine Frau und die drei Kinder, alle jünger als ich, waren gastfreundlich und herzlich zu mir. Es war zwar nicht mein Elternhaus, aber ich befand mich in einer Familie. Offensichtlich war es mir vom Schicksal beschieden, daß ich ständig unter einem anderen Dach schlafen mußte, und daß mir an jeder neuen Heimstatt Herzlichkeit und Wärme entgegengebracht wurden.
    Von Jurek, den ich auf der Straße traf, erfuhr ich, daß man Stanislaw Bzowski verhaftet hatte. Er war der Sohn von Wanda Bzowska, Deckname »Babcia« (Großmutter), die mich auf der Fahrt von Krakau nach Czȩstochowa beschützt hatte. Auch Herr Jȩdrysik war verhaftet worden. Vorübergehend wurden alle Kontakte eingestellt. Ich wurde angewiesen, keinerlei Verbindung aufzunehmen. Man mußte doppelt wachsam jeden Schritt kontrollieren, um nicht der Gestapo in der Kilińskiego-Straße in die Hände zu fallen. Dort befand sich die berüchtigte Folterstätte, in der alle der konspirativen Tätigkeit Verdächtigen verhört und gepeinigt wurden. Ich hörte also auf, aktives Mitglied der Organisation zu sein. Verbindungsleute meldeten sich nicht mehr in dem Laden, in dem ich arbeitete. Eines Tages wurde ich an eine andere Arbeitsstelle versetzt. Dort war ich mit der Verteilung von Kohlen und Kartoffeln beschäftigt.
    Unerwartet bekam ich über einen Verbindungsmann meines Vaters einen Brief und darin einen Kassiber von der Mutter aus dem Gefängnis. In dem Umschlag steckte auch ein Rosenkranz aus Brotkrumen. Ich war erschüttert. So lange hatten wir keine Nachricht gehabt, und nun konnte ich die Zeilen direkt von ihr lesen. Aus ihrem Herzen sprachen Unruhe und Befürchtungen um mich. Ich las den Brief viele Male. Mir kamen die Tränen, aber ich durfte nicht schwach sein. Mühsam biß ich die Zähne zusammen, als sie erwähnte, sie werde wahrscheinlich in das Konzentrationslager Ravensbrück überstellt. Ich hatte keine Ahnung, daß es irgendwo in der Umgebung von Berlin dieses Frauenkonzentrationslager gab.
    Eine Woche später rief mich mein Vater nach Radom. Er war sehr besorgt über die neue Situation der Mutter. Er berichtete auch von weiteren Verhaftungen und Erschießungen vieler guter, der Sache Polens ergebener Leute durch die Nazis und von den Siegen Hitlers auf dem Balkan. Trotzdem glaubte er fest daran, daß die Nationalsozialisten am Ende zu Fall kommen würden. Immer mehr unterworfene Länder müßten durch Truppen besetzt gehalten werden, und das werde zur
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