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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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Organisation mehr bei mir hatte, beruhigten mich etwas. Innerlich war ich bereit, alle Anschuldigungen abzuleugnen. Ich würde nichts zugeben. Übrigens wußte ich ja nicht einmal, worum es ihnen ging. Vielleicht war es ja ein Irrtum. Irgend etwas mußten sie haben. Aber was? Was wußten sie? Wahrscheinlich ging es nicht um die Flucht aus Tarnów, denn dann hätten sie anders mit mir geredet! Seitdem war genau ein Jahr vergangen. Immer am 1 . September passierte mir etwas! Ein Pechtag für mich, dieser 1 . September. Damals war ich entkommen. Aber jetzt war eine Flucht aus dem verschlossenen Keller vollkommen unmöglich. Was mit mir geschehen würde, hing vom Verhör ab.
    Ich befand mich in den Fängen der Gestapo, und das bedeutete ein ungewisses weiteres Schicksal. Die in mir aufkommende Furcht steigerte sich, je mehr Zeit ich in diesem Keller verbrachte. Auf der Uhr, die man mir nicht abgenommen hatte, rückten die Zeiger Stunde um Stunde vorwärts.
    Gegen sechs Uhr abends hörte ich auf dem Flur Geräusche. Gleich darauf öffnete sich die Tür meiner Zelle und das Licht ging an. »Raustreten!« Nur das eine Wort aus dem Mund eines Gestapo-Mannes. Gehorsam verließ ich die Zelle. »Vorwärts«, befahl der Mann und stieß mich mit seinem Schlüsselbund in den Rücken. Auf dem Hof stand ein größerer Lieferwagen und daneben zwei weitere Gestapo-Leute. Sie befahlen mir einzusteigen. Im Wagen saßen mehrere Häftlinge auf niedrigen Bänken. Es waren ungefähr zehn. Ich muß sehr kümmerlich ausgesehen haben, denn einer von ihnen, ein älterer Mann, meinte: »Jetzt verhaften sie sogar schon Kinder.« Und er nickte mitfühlend. Ich erzählte niemandem, daß ich bereits siebzehn war. Es ist sogar gut, daß ich jünger aussehe – dachte ich mir.
    Als sich die drei Gestapo-Posten mit entsicherter Waffe im Wagen niedergelassen hatten, fuhren wir los. Es gab keine Fenster. Wir sahen nicht, wohin man uns brachte. Von den anderen Untersuchungshäftlingen im Wagen kannte ich niemanden. Es dauerte nicht lange, und nach einigem Auf und Ab hielt der Wagen an. Die Posten öffneten die Tür und befahlen uns auszusteigen. Es zeigte sich, daß wir uns im Gefängnis in Zawodzie, einem Stadtteil von Częstochowa, befanden.
    Uns wurde befohlen, nacheinander an einen Tisch zu treten, an dem zwei Posten unsere Personalien aufnahmen. Eine dritte Person hieß uns, die Taschen auszuleeren, Gürtel, Uhr, Geld und andere Kleinigkeiten abzugeben. Gut, daß ich die Papiere verbrannt hatte. Ich war so von den Formalitäten in Anspruch genommen und von Furcht erfüllt, daß ich das, was man mir befahl, fast automatisch ausführte. Nachdem unsere Aufnahme ins Gefängnis abgeschlossen war, wiesen uns die Gestapo-Leute an, ihnen über die Flure ins Obergeschoß zu folgen.
    Damals erblickte ich zum ersten Mal ein Gefängnis von innen. Links und rechts der Wandgänge sah man lange Reihen einheitlicher Türen, gekennzeichnet durch Nummern. Es war wohl im zweiten Stock, wo in einer gesonderten Abteilung ein anderer Gestapo-Mann und ein Wärter vor uns auftauchten. Sie quittierten, daß sie uns von den ersten beiden übernommen hatten, und brachten uns der Reihe nach in den Zellen unter. Ich kam in die Zelle Nr.  37 . Sie war nicht größer als etwa 5  × 3  Meter. Darin befanden sich 16  Häftlinge. Ich war der siebzehnte. Zellenältester war, wie sich später herausstellte, der Oberfeldwebel des polnischen Heeres Stanislaw Sukiennik.
    Über meine Einweisung war man nicht gerade erfreut. In der Zelle gab es nur ein paar Strohsäcke und Decken. Jeder zusätzliche Häftling schmälerte den sowieso schon engen Platz zum Schlafen. Sukiennik fragte, weshalb man mich, einen so jungen Burschen, hier eingesperrt habe. Ich antwortete, daß ich es nicht wisse, daß es vielleicht ein Irrtum sei. Voller Verständnis nahm er meine Erklärung zur Kenntnis. Die anderen waren offensichtlich mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt. Jeder hatte irgend etwas auf dem Gewissen, sprach aber nicht gern davon – sei es die Zugehörigkeit zu einer Organisation, sei es eine unbedachte Äußerung, sei es illegaler Handel oder sei es am Ende das am häufigsten anzutreffende Vergehen »Lesen verbotener Zeitungen« bzw. »illegales Rundfunkhören«.
    All diese »Verbrechen« genügten, um ins Gefängnis zu geraten. Für mich waren die Festnahme und die Berührung mit dem Gefängnis ein Schock. Ich wußte nicht, wie ich mich verhalten, was ich tun, was ich sagen sollte. Ob ich
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