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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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Niederlage der Besatzer führen.
    Als wir uns verabschiedeten, warnte er mich, ich solle vorsichtig sein und mich nicht durch die allgegenwärtigen Spitzel der Gestapo provozieren lassen: »Wir brauchen viel Mut und Ausdauer, um all das zu ertragen und vor allem, um zu überleben.« Ich kehrte nach Czȩstochowa zurück, aber mir war sehr traurig zumute. Ich hatte begriffen, daß der Mensch bei jedem Kampf um eine gerechte Sache vor allem auf sich selbst gestellt ist.
    Einige Tage nach dem Treffen mit meinem Vater überfielen die Nazis die Sowjetunion. Die Zeitungen und Bekanntmachungen der Besatzer berichteten von gewaltigen, Epoche machenden Siegen Großdeutschlands. Ich war niedergeschlagen und verzweifelt. Sollte niemand imstande sein, die Faschisten zu bezwingen? Würde es Polen niemals mehr geben? – Nein, das war unmöglich! Man mußte durchhalten, sagte ich mir.
    Andrzej, den ich zufällig auf der Straße traf, meinte auch: »Die Deutschen haben jetzt überall Fronten, im Westen und im Osten, im Norden und im Süden. Früher oder später ersticken sie daran. Du wirst es sehen!« Beim Abschied flüsterte er mir zu: »Paß auf dich auf! Sie haben diese Schwarzhaarige, na diese Wyrzykowska, mit ›Bulletins‹ geschnappt. Bei diesen Weibern kann man nie wissen. Halt die Ohren steif!«
    Ich konnte die rasch eintretenden Ereignisse nicht ganz überblicken. Ich fühlte mich irgendwie verloren im Durcheinander des Krieges. Hoffnung und Glaube kehrten nur dann zurück, wenn ich mich nach der Arbeit in die Pflichtlektüre des Gymnasiums, in die Werke von Reymont, Zeromski, Prus und Orzeszkowa vertiefte. Und in der bescheidenen Bibliothek meines Gastgebers gab es ziemlich viele dieser Bücher. Über eines wurde ich mir klar. Man durfte nicht verzweifeln. Nichts fällt einem in den Schoß. Bedeutende Ereignisse, geschichtliche Umwälzungen und Veränderungen vollziehen sich stets erst nach langen, anstrengenden, ausdauernden Bemühungen. Mit Ideen allein erlöst man die Welt nicht.
    Ich erlebte eine weitere Katastrophe meines Vaterlandes mit, aber das bedeutete keineswegs, daß es Polen und die Polen nicht gab. Man mußte weitermachen, der Organisation helfen, wenn die Zeit da war. Und vorläufig durfte man nicht vergessen, daß man nur dann nützlich sein konnte, wenn man lebte. So überzeugte ich mich selbst, um Glauben und Hoffnung nicht zu verlieren, um nicht in Zweifel und Depression zu verfallen.

Zawodzie
    Ende August 1941 bekam ich durch einen vertrauenswürdigen Menschen einen Brief vom Vater sowie mehrere Aufträge der Organisation. Ich sollte an drei verhaftete Mitglieder Päckchen ins Gefängnis in Zawodzie weiterleiten. Die Namen waren im Brief angegeben. Ich wußte also, um wen es ging. Im Gefängnis wurde mir klar, wie wenig man für andere tun konnte. Ich mußte in einer Menschenschlange warten, um die Päckchen abgeben zu können. Dabei lauschte ich den Gesprächen der Wartenden. Ringsum herrschte eine Atmosphäre des Mißtrauens, des Terrors und der Furcht. Eine ganze Reihe von Leuten hatte Angst, den Häftlingen irgendwie zu helfen. Man wollte nicht in den Verdacht geraten, jene Mitbürger zu kennen oder in Verbindung mit ihnen zu stehen, deren weiteres Schicksal ungewiß war.
    Vielleicht war es gut, daß mein Vater mich ausgesucht hatte, um diese Päckchen abzuliefern. Die Verhafteten hatten keine Möglichkeit, sich mit ihren Familien in Verbindung zu setzen. Sie stammten aus jenem Teil Wielkopolskas (Großpolens), den die Nazis in Warthegau umbenannt und dem Reich eingegliedert hatten. Sie saßen schon über ein halbes Jahr im Gefängnis. Diese symbolischen Päckchen konnten ihnen nur für kurze Zeit Zuversicht und Hoffnung verleihen und ihnen zeigen, daß es in der Organisation Leute gab, die sie nicht vergessen hatten. Aber würde jemand erneut Päckchen abgeben und ihnen helfen, durchzuhalten? Würden jene das noch brauchen? Ich hatte meine Pflicht erfüllt.
     
    Der nächste Tag war der erste September. Wie seit Wochen begab ich mich zu meiner Arbeitsstelle in der Genossenschaft. Ich arbeitete in einer Holzbude in der Nähe der Waage. Aufmerksam und genau notierte ich die Menge der gewogenen Kartoffeln auf der Waage, zog das Verpackungsgewicht ab und trug dann den Endstand in das Auslieferungsbuch des Lagers ein. Gegen Mittag kam mein älterer Kollege, der außen die Waage und das Ladegut kontrollierte, in die Bude und sagte sehr verlegen: »Irgendwelche Herren suchen dich und wollen mit dir
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