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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs
Autoren: Henner Kotte
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einer aus Joseph Honigs Skandalreportagen. Wahrscheinlich war dies das Resultat ihrer Beziehung zu dem Boulevardjournalisten. Kohlund betrachtete diese Liaison skeptisch. Aber er konnte nur zusehen und hoffen, dass die Kollegin keine dienstlichen Belange ausplauderte.
    »Wo darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«, fragte die Beetz, und Schwester Monique wies ihr den Weg aus dem Zimmer. Es war als würden zwei Freundinnen sich zum Kaffee treffen.
    »Ich würde gerne kurz mit Ihnen sprechen«, sagte Kohlund.
    Dr. Barthelmes verließ wortlos das Krankenzimmer. Kohlund sollte wohl folgen. Auf dem Flur trafen sie Berger von der Technik und seine Mannschaft. Kohlund erklärte kurz die Fakten. Die Kriminaltechniker verschwanden mit Koffern und allem möglichen Gerät im Zimmer des Toten. Der Kommissar war im Zweifel, ob sie überhaupt etwas entdeckten, das die Ermittlungen voranbrachte. Dann klingelte Kohlunds Handy. Es war noch mal die Bereitschaft.
    »Ich bin allhier.« Er versuchte einen Scherz. »Wahrscheinlich Mord. Lasst die Maschinerie anlaufen. Wie immer.« Dann verging ihm der bemühte Humor. Die Kollegen teilten ihm mit, dass sich Kriminaldirektor Miersch höchstpersönlich für diesen Fall interessierte und auf dem Weg ins Neurophysiologische Zentrum war. »Scheiße!«
    Das war eine eindeutige Warnung. Der Chef mischte sich gern in ihre Arbeit ein, um öffentliches Lob abzufassen. Bei weniger spektakulären Fällen hielt sich Miersch zurück. Und der Tod von Frank Stuchlik war bestimmt kein Fall, der Schlagzeilen machen würde. Miersch konnte nur nerven, einen wirksamen Beitrag hatte er noch bei keiner Ermittlung geleistet. Kohlund kannte niemanden, der den Kriminaldirektor aus Bayern sympathisch fand. Die Schabowski war vielleicht anderer Meinung, aber auch sie kam aus dem Westen. Andrea Dressel vielleicht, die saß beim Direktor im Vorzimmer. Aber der Böer? Hengstmann? Schmitt sowieso. Da waren sie fast alle einer Meinung: Arschloch! Jetzt hatte er den Direktor am Hacken. Prost Mahlzeit! Und das zum Sonntag.
    »Verdammte Scheiße!«
    »Kann ich helfen?«
    Kohlund wandte sich dem Arzt zu. »Entschuldigung. Nein.«
    Dr. Barthelmes nahm es ohne Regung zur Kenntnis und setzte seinen Weg fort, sein Kittel wehte ihm hinterher. Kohlund hatte Mühe zu folgen.
    »Verdammte Scheiße!«, schrie er noch einmal, um seinen Frust abzureagieren.
    Dr. Barthelmes drehte sich zu ihm um. »Scheiße ist der Tod nur für uns, die wir leben. Den anderen ist er egal.«

3
    Die Scheibenwischer rotierten. Es regnete stärker. Miersch kannte die Ortsnamen nicht. Wöllmen. Gostemitz. Groitzsch. Keine Ahnung, wo er sich befand. Das Navigationssystem hatte er seiner Tochter Bernadette überlassen, die es sich vor einem halben Jahr geliehen hatten, um zum Studium nach Eichstätt zu finden. Bernadette hatte ihn sehr lieb darum gebeten, er hatte nicht widerstehen können. Seitdem hatte Miersch keinen automatischen Wegweiser mehr im Auto. Die Karte verzeichnete Bennewitz nahe Würzen. Passanten nach dem Weg zu fragen, wäre Miersch als Eingeständnis seiner Unfähigkeit erschienen.
    Außerdem waren am frühen Sonntagmorgen hier im Regen keine Menschen unterwegs. Nur einen Radfahrer in hautengem Dress und mit nackten und kräftigen Waden hatte er überholt. Doch der sah aus, als würde er unter Wasser trainieren: schwarz vermummt und gesichtslos.
    Mörder! Monster! Menschenschlächter! Konstantin Miersch hatte sich nicht vorstellen können, dass solche Schlagzeilen möglich waren. Er fühlte sich einsam und allein gelassen, ungeliebt sowieso und jetzt zum Abschuss freigegeben. Die Kollegen schnitten ihn. Die Dressel kochte zu dünnen Kaffee und vergaß, den Zucker auf die Untertasse zu legen. Die Reporter grinsten hämisch, wenn er ihnen Rede und Antwort stand. Und genau das bezweckte Joseph Hönig wohl auch. Die Beetz hatte sicher ihren Anteil an seiner Kampagne, und der Böer und der Kohlund, die alten Seilschaften eben. Miersch fühlte sich ihren Intrigen und dem darauf folgenden Parteiengezänk im Stadtrat ausgeliefert, ohne dass er genau hätte sagen können, aus welcher Richtung man ihn beschoss. Hönig war der einzig sichtbare Gegner, alle anderen kämpften im Verborgenen. Seine Suspendierung war nur eine Frage der Zeit. Denn dass Leute seinen Rauswurf betrieben, dessen war sich Miersch sicher. Sie wollten ihn los sein. Zu viele waren begierig auf seine Stelle. Kein Problem, er würde den Posten auch freiwillig aufgeben, angenehm und
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