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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs
Autoren: Henner Kotte
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Rezeption war eloquent besetzt und dienstleistungsbereit wie im Interhotel. Der Wachhabende hinter der Theke telefonierte und bat ihn stumm um Geduld. Bin gleich so weit! Miersch nickte und stützte den Ellenbogen auf das Paneel. Zeitschriften im Ständer verkündeten kostenlos beste Gesundheit von Fitness bis Tabletten und Blutspritzen. Nicht nur Demente fielen auf diese Angebote herein. Miersch hatte es bei seiner Mutter erlebt. Mein Arzt ist so was von nett und verzichtet gar auf die Praxisgebühr, aber die Medikamente, mein Junge, die Medikamente, die er verschreibt, sind sehr teuer. Ausgenommen hatte der Mediziner die alte Frau wie eine Gans zur Weihnacht. Miersch war sich sicher, der nette Arzt teilte sich den Profit mit dem Apotheker. Da fielen die zehn Euro Praxisgebühr nicht ins Gewicht. Nur hatte Miersch keine Beweise für dieses unlautere Geschäft. Und seine Mutter war schon lange tot.
    »’tschuldigung. Sie wünschen?« Der Mann vom Empfang stand ihm jetzt mit ganzer Person zur Verfügung. Miersch suchte nach Worten. Doch noch bevor er seine Frage stellen konnte, schrie es durch die Halle.
    »Station Illb, Zimmer 12!«
    Eine robuste Frau kutschierte ihren Reinigungswagen direkt neben ihn und blickte ihn feindselig an. Lippen zu dick geschminkt, ihr Mund sah aus wie ein Kussmaul. Grobporige Haut erinnerte an die Krater des Mondes. Die Haare waren strähnig und lange nicht gefärbt. Drei Zentimeter, mindestens drei Zentimeter des grauen Ansatzes waren zu sehen. Die Frau war in Rage, sog die Luft ein, gleich würde sie brüllen.
    »Ich glaubs ja wohl nicht! Schlägt Ihnen endlich das Herz?«
    Miersch hatte den Eindruck, dass von der Lautstärke die Scheiben klirrten. Selbst der Rezeptionist schaute erschrocken.
    »Bitte?«
    »Sie sind doch der Miersch? Kriminaldirektor Konstantin Miersch?«
    »Ja.«
    »Sie kommen zu spät! Viel zu spät!«
    Miersch blickte zum Mann hinter der Theke, aber der drückte auf Tasten. Der Computer schien plötzlich seine gesamte Aufmerksamkeit zu fordern. So schrill war Miersch in seiner langjährigen Ermittlungsarbeit noch nie an einem Tatort begrüßt worden. Sie kommen zu spät! Die Kriminalpolizei kam immer zu spät. Das war ihr Job. Und angesichts des Todes sprach man leise, gedämpft. »Verzeihen Sie, kennen wir uns?«, fragte Miersch in verhaltenem Ton.
    »Ich kenne Sie! Das genügt!«
    Miersch fand keine Worte, die passten, fühlte sich überfordert und fehl am Platz. Der Rezeptionist tippte jetzt Nummern, jedenfalls sah es so aus. Die Reinigungskraft griff zum Lappen. Miersch war bewusst, dass er sich in einem Neurophysiologischen Rehabilitationszentrum befand. Vielleicht war dies eine Patientin und handelte nicht nachvollziehbar. Er hob seine Hand, um sie zu beruhigen. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Mir?! Sie sind noch bescheuerter, als es in der Zeitung steht. Und so was wie Sie leitet die Kriminalpolizei! Einfach unglaublich! Monster! Sie Mörder!«
    Das war Volkes Zorn, der ihm hier entgegenschlug. Die Journaille hatte wahrhaft Bestes geleistet. Die Frau schob ihm ihren Wagen fast über den Fuß. Ihr Busen bebte. Das Wischwasser schwappte. Aus dem Besen schwebten Staubflusen auf seine Schuhe.
    Die Reinigungskraft wickelte den feuchten Lappen um ihre Hand, hob ihren Arm und gestikulierte wie ein Politiker ohne Wahlvolk. »Drei Monate liegt der Junge schon hier. Drei Monate, und nicht ein Mal haben Sie den Mut gehabt, sich Ihrer Verantwortung zu stellen. Seine Mutter kommt täglich. Aber der Schuldige lässt sich nicht blicken! Monster!«
    »Von wem sprechen Sie bitte?«
    »Sie wissen genau, von wem ich spreche! Er liegt im Koma. Der wacht nicht mehr auf!«
    Miersch dämmerte es. »Philip Thede?«
    »Was glauben denn Sie, von wem ich rede?! Sie haben sein Leben auf dem Gewissen!«
    »Ich bin eigentlich auf dem Wege zu …«
    Doch in dieser Situation musste jedes seiner Worte falsch sein. Die Reinigungskraft streckte ihm ihre Hand wie ein Boxer entgegen, mit der anderen griff sie drohend zum Besen. Der Rezeptionist telefonierte noch immer und tippte hektisch auf der Tastatur seines Computers.
    »Wo sagten Sie, finde ich Philip Thede?«, fragte Miersch.
    »Station 1Kb, Zimmer 12!«
    »Danke.«
    Er widerstand dem Impuls, ihr Besen und Lappen abzunehmen.

4
    »Kaffee?«
    »Wenn Sie fragen, ja.«
    »Steht bei uns immer auf der Platte. Ohne Kaffee, wissen Sie …«
    Schwester Monique versuchte zu lächeln und ließ Franziska Beetz den Vortritt. Nach dem Weiß der Flure
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