Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
Klaviertaste erweist und selbst wenn man es ihm sogar naturwissenschaftlich und mathematisch beweist, selbst dann würde er nicht Vernunft annehmen, sondern im Gegenteil absichtlich Unheil stiften, einzig aus purer Undankbarkeit; eigentlich nur, um auf dem Seinen zu bestehen. Falls er aber über keine ausreichenden Mittel dazu verfügen sollte, wird er sich Chaos und Zerstörung ausdenken, wird er sich alle möglichen Qualen ausdenken und in jedem Fall auf dem Seinen bestehen! Er wird der Welt fluchen, da aber nur der Mensch fluchen kann (das ist nun einmal sein Privilegium, das ihn vorzugsweise von den anderen Tieren unterscheidet), so wird er unter Umständen allein schon mit diesem Fluch das Seine erreichen, das heißt, er wird sich tatsächlich überzeugen, daß er ein Mensch und keine Klaviertaste ist. Sollten Sie behaupten, man könne auch dies nach der Tabelle berechnen, sowohl das Chaos als auch die Finsternis und den Fluch, so daß schon die Möglichkeit der Berechenbarkeit allem Einhalt gebietet und die Vernunft das letzte Wort behält – so wird der Mensch in diesem Fall absichtlich verrückt werden, um keinen Verstand mehr zu haben, um auf dem Seinen bestehen zu können. Ich glaube daran, ich bürge dafür, denn genaugenommen scheint das ganze Anliegen des Menschen tatsächlich bloß darin zu bestehen, daß der Mensch sich immerfort beweist, er sei ein Mensch und kein Stiftchen! Und wenn er es auch mit der eigenen Haut bezahlen müßte, er bewiese es doch; und wenn auch mit Troglodytentum, er bewiese es doch. Wie sollte man nun nicht die Sünde auf sich nehmen und sich selig preisen, daß es noch nicht soweit ist, daß das Wollen vorläufig noch weiß der Teufel wovon abhängt …
    Sie rufen mir zu (wenn Sie mich überhaupt noch des Anschreiens würdigen), daß mir doch niemand den Willen streitig mache; daß man es nur darauf anlege, alles irgendwie so einzurichten, daß mein Wille ganz von selbst, aus eigenem Willen, mit meinen normalen Interessen zusammenfalle, mit den Naturgesetzen und der Arithmetik.
    Aber meine Herrschaften, was kann es da noch für einen eigenen Willen geben, wenn es schon bis zur Tabelle und bis zur Arithmetik gekommen ist, wenn nur noch zwei mal zwei gleich vier Gültigkeit hat? Zwei mal zwei wird auch ohne meinen Willen vier sein. Sieht denn der eigene Wille etwa so aus?

IX
    Meine Herrschaften, natürlich scherze ich, und ich weiß auch, daß ich wenig geistreich scherze, aber Sie dürfen nicht alles für einen Scherz halten. Vielleicht scherze ich zähneknirschend. Meine Herrschaften, ich werde von Fragen gequält; antworten Sie mir darauf. Sie schicken sich beispielsweise an, den Menschen von seinen alten Angewohnheiten abzubringen und seinen Willen auszurichten gemäß den Forderungen der Wissenschaft und des gesunden Menschenverstandes. Woher aber wollen Sie wissen, nicht nur, ob es möglich, sondern ob es überhaupt nötig ist, den Menschen so zu ändern? Woraus wollen Sie schließen, daß das menschliche Wollen einer Verbesserung so dringend bedürfe ? Mit einem Wort, woher wollen Sie wissen, daß eine solche Verbesserung dem Menschen wirklich einen Vorteil brächte? Und, wenn schon einmal davon die Rede ist, warum sind Sie so sicher davon überzeugt, daß es für den Menschen wirklich immer vorteilhaft und für die ganze Menschheit ein Gesetz sei, nicht gegen die sogenannten eigentlichen, normalen, durch Beweise der gesunden Vernunft und Arithmetik garantierten Vorteile zu handeln? Zunächst ist das nur Ihre Annahme. Selbst wenn wir annehmen, daß es ein logisches Gesetz sei, so brauchte es noch kein menschliches zu sein. Glauben Sie vielleicht, meine Herrschaften, ich sei verrückt? Erlauben Sie mir eine Rechtfertigung. Ich bin ganz einverstanden: der Mensch ist ein Tier, vorwiegend ein tätiges, bestimmt zu einer bewußten Zielstrebigkeit und zum Ingenieurwesen, das heißt bestimmt dazu, sich ewig und unaufhörlich einen Weg zu bahnen, wohin er auch führen mag . Gerade deswegen, vielleicht, will er aus der Reihe tanzen, weil es ihm ja bestimmt ist, sich diesen Weg zu bahnen, und weil ihm, wie dumm der unmittelbare Tatmensch auch sein mag, zuweilen doch der Gedanke kommt, daß dieser Weg, wie sich zeigt, einerlei wohin führt und daß es gar nicht darauf ankommt, wohin er führt, sondern daß er nur weitergeht und das brave Kind sich nicht etwa, das Ingenieurwesen vernachlässigend, dem verderblichen Müßiggang ergebe, der bekanntlich aller Laster Anfang ist. Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher