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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara
Autoren: Anna Seghers
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zusammengestanden, und gegen Morgen waren die meisten aufgebrochen. Sie hatten gerufen: „Bis zum nächsten Mal!", dann hatten sie sich getrennt in ungefähr zwei gleiche Haufen nach rechts und nach links, wie sie gekommen waren. Sie waren dann also nur noch eine halb so große Menge, und sie kannten sich auch alle unter sich, wie sie dann ein paar in Wyk abgegeben hatten, waren sie wieder etwas weniger, und zuletzt waren es nur ein paar wenige, die mißmutig über den langen, aufgeweichten Weg zwischen den Dünen in Elnor ankamen. Auf dem Markt in St. Barbara und auf dem ersten Teil des Weges hatten sie beständig von der Versammlung gesprochen, dann waren sie immer einsilbiger geworden, und denen, die in Elnor ankamen, erschien schließlich die Versammlung als etwas Weitzurückliegendes und nicht so schrecklich Bindendes. Dann hatten sich die Leute von Elnor nochmals verteilt, sie gingen in ihre Hütten, die lagen nicht an einem Weg, wie in St. Barbara, sondern einzeln in die Dünen geklemmt, dann aßen sie, waren noch nicht recht satt, dann war es am besten zu schlafen. Dann kamen Sturmtage, es war eine Mühe, vor die Tür zu kommen, nach Blé zu gehen, das war ganz zwecklos, dunkel und stickig dumpf die Stube, dreimal am Tag duckte einen der Hunger vor den kahl gescheuerten Tisch. Die letzten Winter war immer einer schlechter als der andre gewesen, dieser war am schlechtesten, der nächste würde noch schlechter sein, da war nichts zu machen, der Speck schrumpfe immer mehr, der langte nicht mal bis Neujahr, das war wie es war. Der Sturm stemmte einem die Tür ins Haus, vor der Tür lag die Düne, und dahinter wieder eine Düne, und dann kamen nichts als Dünen, bis nach Wyk; ganz weit hinten lag St. Barbara, wozu sich versammeln?
    Andreas sagte: „Da ist Elnor?" Da lief vor ihnen her eine kniehohe Mauer aus Steinbrocken, die trennte ein Stückchen Sand vom übrigen Sand, gegen den Rücken der nächsten Düne lagen zwei Hütten. Elnor lag nicht in einem Strich wie Blé, sondern hier und dort in die Dünenspalten hineingestopf. Das gab ihm ein unordentliches, kernloses Aussehen. Andreas klopfe an eine Tür, eine. Frau sah heraus und musterte sie erstaunt. „Wo sind die Männer?" – „Bei den Netzen." Sie gingen. Einer drüben merkte, da kamen zwei Fremde. Sie hoben die Köpfe, jemand sagte: „Das ist Andreas Bruyn aus St. Barbara." Gleich darauf erkannten sie auch den Hull. Es gefiel ihnen nicht, daß er gekommen war. Sie ließen ihre Arbeit liegen und traten heran. Alle begrüßten ihn mit bösen zugekniffenen Augen. Barbara war weit weg, je weiter es in den Winter ging, je grauer der Sand wurde, je dichter der Regen fiel, desto weiter rückte es weg. Anstatt solche nutzlosen Wege zu gehen, war es gescheiter, zu tun, was man jeden Winter tat, sich an die Netze zu halten und zu hungern. Die Leute standen höflich um Hull herum. Aber ihre Augen waren böse. Sie hatten sich damit abgefunden, daß Barbara weit weg lag, wozu kam dann einer doch her?
       Hull sagte: „Wir haben hier durchgemußt, da wollte ich nochmal sagen, ihr müßt euch mit denen in Blé zusammentun, und alles gut durchsprechen bis zur nächsten Versammlung, daß wir wissen, woran wir sind." Als Hull das sagte, kam den Leuten von Elnor Blé nicht mehr so schrecklich weit weg vor, wie vor seinen Worten. Einer sagte: „Das ist gar nicht so leicht, wie Ihr denkt, die von Blé heranzuholen." Sie redeten hin und her. Es regnete. Hull sagte: „Ist da bei euch nicht eine Schenke oder so was, wo man sich festsetzen kann?" Nein, so was gab's nur in Blé, Auf einmal sagte einer: „Bei mir ist ja jetzt leer, gehn wir runter." Ihm gehörte die Hütte, an die Andreas geklopf hatte. Die Frau sah auch jetzt heraus. Ihr Gesicht wurde dumm vor Erstaunen und Neugierde. Der Mann schob sie mit der linken Hand auf die Seite, mit der rechten winkte er die andren herein. Das war ein sonderbares Winken, es ging ihm stolz von der Hand, in seinem Herzen schämte er sich wohl sehr, all diese Leute in seine Stube zu lassen. Als sie mal alle drin waren, saßen sie schnell fest und kamen ins Reden. Als Hull und Andreas gingen, blieben sie noch lange sitzen. Es war ihnen vielleicht ihr ganzes Leben lang nicht mehr möglich, soviel zu reden, wie sie Lust hatten, und in einer Stube beieinander zu sitzen. Der Weg nach Blé zog sich sehr in die Länge, der Sand war aufgeweicht. Sie schwiegen, Andreas dachte jetzt an die beiden Buben daheim, er hatte das ganze Zeug auf
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