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Teuflisch erwacht

Teuflisch erwacht

Titel: Teuflisch erwacht
Autoren: Simone Olmesdahl
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1. Kapitel
    Brodelnde Felder
     
     
     
    A ntonio del Rossi schlenderte, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, die ärmliche Gasse entlang. Dunkle Wolken kleideten den Himmel. Sie verboten, dem trostlosen Anblick Wärme zu schenken und tristes Grau überzog die Straße, auf der sich Wäscheleinen von einem heruntergekommenen Haus zum nächsten spannten. Die meisten Häuser des Viertels benötigten dringend einen frischen Anstrich. Die blättrige Farbe schälte sich von den Fassaden und gab den Blick auf alten Putz frei. In manchen Reihen der vielen maroden Dächer fehlten hier und da ein paar Ziegel. Die Kleidung, die über den Wäscheleinen hing, spiegelte die Dürftigkeit der Anwohner wider. Immerhin verteilten die Blusen und Hosen, die im Wind flatterten, einen frischen Duft über die Straßen.
    Antonio atmete tief ein, füllte die Lungen mit dem Geruch, den er den Duft der Armut nannte. Das Salz des nahe liegenden Meeres legte sich auf seine Zunge. Ein Gefühl, das andere als Hochmut bezeichnet hätten, breitete sich aus und drang in jede Pore seiner Haut und in jede Zelle seines Verstandes. Er ergötzte sich an dem elenden Anblick.
    Seine Körpergröße war nicht nennenswert, eher klein für einen Mann. In diesem Viertel der Stadt fühlte er sich groß, überlegen und so, wie sich ein Magier fühlen sollte. Die Größe, die sich nicht in Zentimetern messen ließ, schienen die Menschen vergessen zu haben. Er hielt sich zurück, ihnen unter die Nase zu reiben, was er verkörperte. Seit fast einem Jahrhundert lebte er in Neapel, in einer Villa nahe am Meer. Er liebte die Stadt wie keine zweite. Er gehörte zu den wohlhabenden Bürgern von Neapel und trug den Reichtum auf starken, wenn auch kurzen Beinen. Obwohl er in Venedig geboren war, fühlte er sich dieser Stadt verbunden. Er war am Meer zu Hause. Seiner Frau zuliebe hatte es ihn und seine Familie tiefer in den Süden verschlagen. Gia war ein ausgesprochener Sommermensch und er teilte ihren Gräuel gegen Schnee und Eis.
    Obwohl es bereits auf Weihnachten zuging, maßen die Temperaturen angenehme sechzehn Grad. Ein weiterer Umstand, weshalb er das Fleckchen Erde gern als Heimat bezeichnete.
    Antonios Blick schweifte zu einer Horde verwahrloster Kinder. Sie spielten auf der engen Straße und beachteten ihn nicht weiter. Unweigerlich dachte er an seine Tochter. Er hatte Kira eine gefühlte Ewigkeit nicht gesehen. Auch wenn es einem Magier schwerfiel, sich das einzugestehen, musste er zugeben, dass er sie schmerzlich vermisste. Seit sie sich an die Seite der Fingerless geschlagen hatte, hörte er kaum noch von ihr. Obwohl es bereits zwei Jahre zurücklag, dass sie sich aus den Fängen des Rechtsbeirats für besondere Menschen freikämpfen konnte, hatte sie ihn seither nicht besucht. Insgeheim wartete er auf eine besondere Nachricht. Beim Gedanken daran, dass sie sich einen der stärksten Magier der Welt geangelt hatte, schwoll seine Brust. Kira hatte mit Bedacht gewählt. Sebastian war ein guter Junge und ein klasse Fang dazu. Eine Hochzeit würde Macht mit sich bringen, auf die er schon viel zu lange Zeit verzichtete.
    Eine wütend wirkende Frau stürmte vor ihm aus einem Hauseingang. Antonio zuckte zusammen, als sie ihn jäh aus seinen Gedanken riss und ihm den Weg versperrte. Sie schwang einen Teppichklopfer, als überlegte sie, ihn als Waffe zu gebrauchen. Entsetzt sprang er einen Schritt zurück.
    »Stronzo! Du widerwärtiger Armleuchter. Wie kannst du es wagen, dich hier blicken zu lassen?« Sie stierte ihn an, das dunkle Braun ihrer Augen funkelte wie ein Sonnenstein.
    Antonio hielt ihrem Blick stand. Dunkler Zorn entflammte sein Herz, züngelte seine Adern empor. Was bildete sich die Schnepfe ein, ihn auf offener Straße zu beschimpfen? Er schluckte schwer und versuchte, das auflodernde Feuer im Keim zu ersticken. Wenn die Magie ausbrach … Lange Zeit hatte er seine Selbstbeherrschung trainiert und diese Frau war es nicht wert, alles über Bord zu werfen. Er riss sich zusammen, lenkte seine Gedanken, bis die heiße Welle langsam abschwappte und die Blasen im Blut versiegten.
    »Hat es dir die Sprache verschlagen?«, spottete die Fremde.
    Antonio räusperte sich und befeuchtete die Lippen, bis er glaubte, seinen Tonfall unter Kontrolle zu haben. »Senora, kann ich Ihnen helfen?« Unterschwellig begleitete ein leises Beben seine Worte. Jede weitere Aufregung bedeutete das Aus. Törichtes Weib.
    »O ja, das kannst du. Sieh zu, dass dein verzogener Sohn
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