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Aufstand der Alten

Aufstand der Alten

Titel: Aufstand der Alten
Autoren: Brian W. Aldiss
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Bartkoteletten. Er war korpulent geworden, sein Gesicht rosig und rund. Nun, als Graubart eintrat, verdüsterte sich seine Miene. Becky hatte ihn anscheinend vom bevorstehenden Besuch unterrichtet.
    »Ich wollte Sie sprechen, weil ich immer dachte, daß Sie die seltene Gabe der Einsicht verbunden mit Scharfsinn besäßen«, sagte Graubart.
    »Das ist völlig richtig. Diese Gabe hat mich zur Göttlichkeit geführt. Aber ich versichere Ihnen, Mr. Graubart, daß ich nicht beabsichtige, Klatschgeschichten über die Vergangenheit auszutauschen. Ich habe die Vergangenheit überlebt, wie ich auch die Zukunft überleben werde.«
    »Ich sehe, daß Sie immer noch den alten Schwindel mit dem ewigen Leben verkaufen; und mir scheint, daß er sich nicht schlecht verkauft.«
    »Sehen Sie diese Tischglocke? Ich brauche sie nur zu läuten, um Sie aus meiner Gegenwart entfernen zu lassen. Ich lasse mich nicht beleidigen; ich habe den Stand der Heiligkeit erreicht.« Er schmollte unzufrieden. »Wenn Sie nicht gekommen sind, um in die Gemeinschaft der Zweiten Generation aufgenommen zu werden, sagen Sie mir endlich, was Sie wollen.«
    »Nun, ich dachte – ich wollte wegen Becky Thomas und ihrer Schwangerschaft mit Ihnen reden. Sie haben kein ...«
    »Das haben Sie mir schon bei unserem letzten Zusammentreffen erzählt – vor Jahrhunderten. Becky geht Sie nichts an. Seit dem Ableben ihres Mannes gehört sie zum Kreis der Gläubigen. Was wollen Sie? Sie sind ein Herumtreiber, Sie haben kein Ziel im Leben! Machen Sie bei mir mit, Mann, und verbringen Sie Ihre Tage in Behaglichkeit. Glauben Sie nicht, daß ich mein Leben allein auf diesem Schiff zubringe. Ich habe am Südufer einen Stützpunkt namens Hagbourne. Kommen Sie mit dorthin.«
    »Um einer Ihrer gläubigen Gefolgsleute zu werden? Nein, das ist ausgeschlossen! Wir ...«
    Jingadangelow nahm seine kleine Glocke und läutete. Zwei alte Frauen schlurften herein, beide in togaähnliche Gewänder gehüllt.
    »Priesterinnen der Zweiten Generation«, sagte Jingadangelow, »welches sind die Ziele meines Kommens?«
    In einer Art Singsang antworteten sie. »Du kamst, den Gott zu ersetzen, der uns verlassen hat. Du bringst Hoffnung, wo nur Asche war. Du bringst uns volle Schöße, die wir nur leere Mägen hatten. Du läßt die Ungläubigen sterben und die Gläubigen leben.«
    »Sehr gut, Priesterinnen. Euer Meister ist zufrieden mit euch. Ihr könnt wieder gehen.«
    Statt dessen umdrängten sie ihn, hielten seine Hand, streichelten ihm den Kopf und beten ihn um Erlaubnis zum Bleiben.
    »Verflixt, ich habe eine Audienz, Mädchen. Laßt mich in Ruhe!«
    Sie flohen vor seinem Zorn, und Jingadangelow räkelte sich in seinem Liegestuhl, um es sich wieder bequem zu machen. »Sehen Sie, Mr. Graubart, Jesus wußte, was er tat, als er sich für ein rein männliches Team entschied, aber ich scheine mit Frauen irgendwie besser zurechtzukommen.« Er seufzte. »Die Rolle eines Propheten ist immer etwas ermüdend, aber ich gebe ihnen Hoffnung – das ist die Hauptsache. Früher hätte ich nie geglaubt, daß man den Leuten etwas geben kann, das man selbst nicht hat.«
    Nach einmaligem Klopfen erschien ein zittriger Greis in einem zu weiten Trainingsanzug auf der Schwelle und meldete, daß alle Frauen von Wittenham wieder an Land gegangen seien und die Fahrt fortgesetzt werden könne.
    »Besser, Sie nehmen Ihre Freunde und gehen von Bord«, mahnte Jingadangelow seinen Besucher. Erst jetzt bat Graubart, sein Boot an den Dampfer hängen zu dürfen. Unwillig erwiderte Jingadangelow, er habe nichts dagegen, vorausgesetzt, sie hielten ihn nicht länger als fünf Minuten auf. Er werde sie nach Hagbourne schleppen, müsse aber als Gegenleistung verlangen, daß sie sich an Bord nützlich machten, wenn man ihre Hilfe benötigte. Nach kurzer Beratung erklärten sie sich einverstanden, beluden eilig das Dingi und Pitts Ruderboot und vertäuten beide am Heck des Dampfers. Dann versammelten sie sich zum Frühstück auf dem Achterdeck. Als das Schiff den Anker lichtete und den Bug seewärts richtete, hatte sich der Nebel gelichtet. Es wurde ein feuchtheißer, windstiller Tag.
    Pitt und Charley taten sich mit zwei Besatzungsmitgliedern zum Kartenspielen zusammen. Martha und Graubart unternahmen einen Rundgang auf dem Deck. Es waren nur wenige Leute an Bord; ein paar alte Männer, die zur Besatzung gehörten, und ungefähr neun Priesterinnen, die sich um Jingadangelows Bedürfnisse zu kümmern hatten. Dann waren da noch zwei
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