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Aufstand der Alten

Aufstand der Alten

Titel: Aufstand der Alten
Autoren: Brian W. Aldiss
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stand auf halber Höhe der Treppe und hielt eine kleine Laterne über seinen Kopf. Pitt und Charley kamen auf den Balkon und spähten mißtrauisch hinunter. Pitt hatte Pfeil und Bogen in den Händen.
    »Nicht schießen, Leute. Ich bin allein und komme in friedlicher Absticht. Ich möchte nur mit Graubart reden.«
    »Schon gut, Jeff«, sagte Graubart. »Kommen Sie 'rauf, Jingadangelow.«
    Der Verkäufer ewigen Lebens hatte in den letzten Jahren so viel Fett angesetzt, daß er seinen schweren Körper nur unter heftigem Schnaufen die Treppe hinaufziehen konnte. Graubart ließ ihn eintreten. Bei Marthas Anblick deutete Jingadangelow eine Verbeugung an, dann stellte er seine Laterne auf ein Wandbrett und betrachtete die beiden, während er wieder zu Atem zu kommen suchte.
    »Geben Sie uns die Ehre eines Höflichkeitssbesuches?« forschte Martha.
    »Ich wollte Ihnen ein Geschäft vorschlagen«, sagte er.
    »Wir machen keine Geschäfte; das ist Ihre Spezialität, nicht die unsere«, erwiderte Graubart. »Wenn Ihre zwei Leibwächter ihre Revolver wiederhaben wollen, gebe ich sie ihnen morgen früh bei unserer Abreise zurück, vorausgesetzt, Sie können für ihr gutes Benehmen garantieren.«
    »Darüber zu diskutieren, habe ich mich nicht herbemüht. Sie sollten nicht in diesem scharfen Ton mit mir reden, nur weil Sie ein Gewehr haben und meine Hände leer sind. Ich will Ihnen einen Vorschlag machen.«
    »Erzählen Sie uns lieber von dem Mädchen, das Sie in Ihrem Besitz haben«, sagte Martha.
    »Ja, ja, darüber sollen Sie hören, wenn Ihnen so sehr daran liegt. Wie Sie wissen, bin ich weit herumgekommen. Auf meinen Wanderungen habe ich kaum jemals Kinder gesehen. Trotzdem sagte mir mein Verstand, daß die tatsächliche Situation anders sein könnte als die scheinbare. Um zu diesem Schluß zu gelangen, zog ich verschiedene Faktoren in Betracht, die ich Ihnen kurz erläutern will.
    Vielleicht erinnern Sie sich, daß es in jener fernen Epoche vor dem Zusammenbruch der alten technologischen Zivilisation im zwanzigsten Jahrhundert Wissenschaftler gab, die einander widersprechende Zukunftsdiagnosen stellten. Manche glaubten, daß innerhalb weniger Jahre ein normaler Zustand wiederhergestellt würde, manche, daß, alles Leben von dieser sündigen aber angenehmen Welt verschwinden würde. Wir, die wir das Glück haben, zu den Überlebenden zu zählen, wissen jetzt, daß beide Ansichten falsch waren.
    Andere Spezialisten meinten, daß die Radioaktivität im Lauf der Jahre allmählich vom Erdboden absorbiert würde. Ich glaube, daß diese Voraussage eingetroffen ist. Und ich glaube ferner, daß einzelne jüngere Frauen die Fähigkeit, Kinder zu gebären, wiedergewonnen haben.
    Allerdings muß ich zugeben, daß ich selbst keine fruchtbaren Frauen angetroffen habe, obwohl es zu meiner neuen Berufung gehört, nach ihnen Ausschau zu halten. So mußte ich mir selbst die Frage vorlegen, was ich täte, wenn ich eine Frau von vielleicht sechzig Jahren wäre und entdeckte, daß ich ein Kind zur Welt bringen könnte. Für mich war das eine rein theoretische Frage; wie würden Sie darauf antworten, Madam?«
    »Ich würde mich freuen, nehme ich an«, sagte Martha langsam. »Aber ich würde mein Kind nicht gern vorzeigen. Ganz gewiß würde ich nicht zu jemandem wie Ihnen gehen und mein Geheimnis ausplaudern, aus Angst, man würde mich zu einer Art Zuchttier machen.«
    Jingadangelow nickte ernst. »Danke, Madam. Mit anderen Worten, Sie würden sich und Ihren Sprößling verstecken. Sie würden sich und Ihr Kind nicht zur Schau stellen und umgebracht werden, wie es einer dummen Frau in der Nähe von Oxford passiert ist, die ein Mädchen zur Welt gebracht hatte. Wenn wir davon ausgehen, daß eine kleine Zahl von Frauen Kinder geboren hat, müssen wir auch in Betracht ziehen, daß es in den isolierten und abgelegenen Siedlungen viele solcher Fälle gegeben hat, von denen außerhalb dieser Siedlungen niemand weiß.
    Betrachten wir als nächstes die Lage der Kinder. Man könnte sie für beneidenswert halten, mit den vielen Erwachsenen in der Nachbarschaft, die sie verwöhnen und beschützen. Ein tieferes Wissen um die menschliche Natur belehrt uns indessen eines Besseren. Der boshafte Neid der kinderlosen Mehrheit wäre unerträglich, und die betagten Eltern wären unfähig, die greifbaren Resultate dieses Neides abzuwehren. Babys würden von mutterschaftsbebsessenen alten Weibern geraubt, kleine Kinder von Geschäftemachern entführt und zu
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