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Aufstand der Alten

Aufstand der Alten

Titel: Aufstand der Alten
Autoren: Brian W. Aldiss
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Gaben, die sie dem Meister zu Füßen legen wollten. Becky stand mit apathischen Blicken da und ließ die Frauen vorbei. Sie sah noch schmutziger und verwahrloster aus als in Sparcot, und auch älter, obgleich ihr Körper plump und fett geblieben war. Ihre Nase stieß spitz und scharf aus den eingesunkenen Wangen.
    Sie gehört zur Generation meiner und Algys Eltern, dachte Martha, während sie die alte Frau betrachtete. Erstaunlich, daß immer noch welche am Leben sind, nach all diesen düsteren Prophezeiungen niedriger Lebenserwartung ... Becky muß mindestens fünfundachtzig sein! Und was wird von der Welt übrig sein, wenn Algy und ich in dieses Alter kommen?
    Als Martha sich ihr näherte, veränderte Becky ihre Position und stemmte die Hände in die Seiten. An ihrem mageren linken Handgelenk bemerkte Martha die alte, schon lange nicht mehr funktionierende Armbanduhr, die einmal Towins Stolz gewesen war. Aber wo steckte er?
    »Hallo, Becky!« sagte sie. »Die Welt ist klein und naß. Machst du eine Sommerkreuzfahrt?«
    Becky zeigte nur wenig Gemütsbewegung über das Wiedersehen mit Martha, Graubart, Charley und Pitt, die sich nun alle um sie drängten.
    »Ich gehöre jetzt dem Meister«, erklärte sie ihnen. »Das ist der Grund, warum ich noch in meinem Alter privilegiert bin, eins von den Kindern der Zweiten Generation auszutragen. Im Herbst werde ich entbinden.«
    Pitt kakelte los und schlug sich auf die mageren Schenkel. »Du hast dein Junges schon damals erwartet, als wir dich bei diesen Jahrmarktsbuden zurückließen, und das ist der Teufel weiß wie viele Jahre her. Was ist aus dem Wurf geworden? Ich vermute, es war eine Scheinschwangerschaft, reine Einbildung, nicht? Das habe ich mir von Anfang an gedacht.«
    »Ich war damals verheiratet, du stinkender alter Ziegenbock, du«, sagte Becky aufgebracht. »Der Meister hatte seine Meisterschaft zu der Zeit noch nicht erreicht, und so konnte ich natürlich kein Kind haben. Erst jetzt, wo ich das Licht gesehen habe, kann ich empfangen. Wenn du Kinder willst, Martha, solltest du dem Meister ein Geschenk darbringen und sehen, was er für dich tun kann. Er wirkt Wunder, das tut er!«
    »Was ist denn aus dem alten Towin geworden, Becky?« fragte Charley. »Ist er mit dir auf dem Dampfer?«
    Sie zog ihr runzeliges Gesicht zusammen, als sei ihr ein schlechter Geruch in die Nase gestiegen.
    »Towin Thomas war ein sündiger Mann, Charley Samuels, und ich denke nicht mehr an ihn. Er wollte nicht an den Meister glauben und weigerte sich, die Heilbehandlung des Meisters anzunehmen, und infolgedessen starb er an einem bösartigen Krebs, der ihn langsam auszehrte. Offen gesagt, es war ein Segen, als er hinüberging. Seitdem bin ich dem Meister gefolgt. Jetzt nähert sich mein zweihundertdreiundzwanzigster Geburtstag. Und dabei sehe ich keinen Tag älter als hundert aus, nicht?«
    »Das kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte Graubart. »Kennen wir diesen Meister von dir nicht, Becky? Es ist doch nicht etwa Bunny Jingadangelow?«
    »Du hast schon immer ein lockeres Mundwerk gehabt, Graubart«, schnaubte Becky. »Paß nur auf, daß du ihn richtig anredest. Er verwendet diesen alten Namen nicht mehr.«
    »Immerhin scheint er noch die alten Tricks zu verwenden«, sagte Graubart, zu Martha gewandt. »Gehen wir an Bord. Ich möchte den alten Halunken sehen.«
    »Ich habe kein Verlangen danach«, sagte Martha.
    »Hör zu, wir wollen nicht mitten in diesem See im Nebel sitzen bleiben, bis der Herbst kommt. Vielleicht bringen wir Jingadangelow dazu, daß er uns in Schlepp nimmt. Sein Schiffskapitän muß sich hier auskennen, das ist klar zu sehen.«
    Sie taten wie er sagte und setzten mit dem Dingi zum Schiff über. Auf Deck drängten sich bereits die Gläubigen mit ihren Gaben.
    Graubart mußte warten, bis die Frauen der Insel einzeln beim Meister vorgelassen wurden, um ihre Geschenke abzuliefern und seinen Segen entgegenzunehmen. Erst als die letzte wieder zum Vorschein gekommen war, führte man ihn mit einigem Zeremoniell in die Kajüte des Meisters.
    Bunny Jingadangelow lag hingegossen in einem Liegestuhl, eingehüllt, in die schmuddelige Nachahmung einer römischen Toga. Vor ihm – und jetzt im Begriff, von einem alten Mann in Shorts weggeschafft zu werden – lag der materielle Tribut an seine göttliche Qualität, Gemüse, Salatköpfe, Enten, Fische, Eier, ein Truthahn mit frisch umgedrehtem Hals.
    Jingadangelow trug noch immer seinen gezwirbelten Schnurrbart und die langen
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