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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten
Autoren: Wolf Haas
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dann bin ich auch zu dem Fremden hin und hab gesagt, daß wir jetzt zusperren. Da hat er gesagt, er geht gleich, aber vorher möchte er noch eine Flasche Rum. Ich hab mir gedacht, er will sie mitnehmen, die Rumflasche, kommt ja öfter vor, daß Leute hereinschneien, weil sie einkaufen vergessen haben, und sich eine Flasche Wein oder ein paar Bier zum Mitnehmen kaufen.
    Die anderen haben nachher auch gesagt, daß sie nicht geglaubt haben, daß der die Rumflasche gleich an den Mund setzt und in einem Zug hinunterleert. Daß du geglaubt hast: Wasser. Und nicht Rum. Achtzigprozentiger.
    Wir sind alle um ihn herumgestanden, und gesagt hat jetzt keiner ein Wort. Aber gedacht, glaub ich jetzt im nachhinein, haben wir alle mehr oder weniger dasselbe. Aber ausgesprochen hat es nur der Leitinger, wahrscheinlich weil er selber betrunken war.
    Zuerst stehen wir alle stumm da, auch der Leitinger, mindestens noch eine ganze Minute, nachdem der Fremde die Rumflasche ausgetrunken hat. Ein Dreiviertelliter Achtzigprozentiger ist das gewesen. Wir haben ihn nur angeschaut und darauf gewartet, daß er endlich umfällt. Aber er ist nicht umgefallen. Und da hat der Leitinger gesagt, ich glaub, der ist ein Geist.
    Jetzt am hellichten Tag klingt das blöd, aber in dem Moment hab ich mich wirklich gefürchtet, daß der ein Geist ist, weil der einfach nicht umgefallen ist. Und den Mannsbildern ist er auch immer unheimlicher geworden, wie er dasteht neben seiner leeren Rumflasche und nicht umfällt. Und da fragt er mich, ob wir auch Zimmer haben. Ganz normal, nicht daß der gelallt hätte oder eine schwere Zunge. Ganz normal fragt er, ob wir auch ein Zimmer haben.
    Ja, sag ich, Zimmer haben wir schon, obwohl ich mich gefürchtet hab, aber andererseits bin ich froh gewesen, daß er überhaupt noch was sagt.
    Die Männer sind dann gegangen, ganz wohl ist ihnen auch nicht gewesen, das hat man ihnen angesehen. Und ich hab dem Fremden sein Zimmer im ersten Stock gezeigt. Er ist hinter mir hergegangen, vielleicht ein bißchen unsicher auf den Beinen, aber nicht viel, daß man es vielleicht merkt, wenn man es weiß, aber überhaupt nicht tragisch. Ich sag gute Nacht, und er sagt auch gute Nacht, und dann bin ich schlafen gegangen und hab zweimal hinter mir zugesperrt. Zuerst hab ich nicht einschlafen können, aber weil ich überhaupt nichts mehr gehört hab von dem Fremden, bin ich dann doch eingeschlafen.
    Wie er sich dann in der Früh nicht gleich rührt, hat es mich zuerst nicht gewundert. Daß der seinen Rausch ausschläft. Ist es doch kein Geist gewesen, hab ich mir noch gedacht, wenn er einen Rausch auch ausschlafen muß. Aber dann bin ich doch nachschauen gegangen. Da ist er tot auf dem Boden gelegen. Hat es nicht einmal mehr bis ins Bett geschafft.»
    Der Brenner hat sein Brot noch nicht aufgegessen gehabt, hat aber jetzt gleich von der Wirtin verlangt, daß sie ihm den Toten zeigt. Er ist hinter ihr über die knarrende Holzstiege in den ersten Stock hinaufgegangen. Und wie die Wirtin die Zimmertür aufgesperrt hat, hat es ihn gar nicht mehr gewundert, daß der Tote wirklich der Lorenz gewesen ist.
    «Ich hab geglaubt, daß er die Rumflasche nur mitnehmen will», sagt die Wirtin.
    «Jaja», sagt der Brenner. Sie hat sich vor der Polizei gefürchtet, und das ist natürlich für ihn jetzt günstig gewesen. Weil er hat ja noch ein paar Stunden gebraucht.
    «Sperren Sie das Zimmer wieder zu», sagt er, und dann gehen die beiden wieder die Holzstiege hinunter, aber jetzt ist er vorausgegangen und die Wirtin hintennach. Aber interessant. Beim Hinuntergehen hat die Stiege viel weniger geknarrt als beim Hinaufgehen. Unten hat schon der Taxler gewartet, weil natürlich, der mit seinen 120 Kilo ist nicht noch einmal die Stiege hinaufgegangen. Aber der hat jetzt seinen Triumph gehabt, weil der Brenner es ihm zuerst nicht geglaubt hat, das mit dem Lorenz.
    «Und reden Sie mit keinem darüber. Am allerwenigsten mit der Polizei. Ich bin am Abend wieder da», sagt der Brenner am Parkplatz draußen noch zu der Wirtin.
    Und wie er wieder im Taxi sitzt, fragt er den Johnny: «Weißt du, wo der Fux Andi wohnt?»
    Der Johnny hat nicht ja und nicht nein gesagt, aber so gut hat der Brenner ihn jetzt schon gekannt, daß er gewußt hat: Das heißt «ja».
    «Wieso fährst du eigentlich so langsam?»
    «Ich fahr ganz normal.»
    Jetzt natürlich – der Brenner hat immer noch seine Kopfschmerzen gehabt. Und mit jedem Meter, den der Johnny dahinschleicht, ist ihm
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