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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition)
Autoren: Lew Tolstoi
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Eßzimmer einholte, erklärte er ihr sofort mit einer Festigkeit, über die er sich selbst wunderte, er würde seine Wohnung aufgeben und sähe sich gezwungen, auf ihre Dienste zu verzichten. Noch nie hatte er sich seit dem Tode seiner Mutter mit der Wirtschafterin darüber ausgesprochen, was er mit seinem großen, für einen Junggesellen viel zu luxuriösen Haushalt anzufangen beabsichtigte; doch es war stillschweigend abgemacht, er würde das Haus weiter bewohnen, da er ja kurz vor seiner Verheiratung stand. Der Plan, das Haus zu verlassen, hatte also eine besondere Bedeutung, die Agrippina Petrowna sofort verstand, und deshalb warf sie Nechludoff einen erstaunten Blick zu.
    »Ich bin Ihnen für Ihre Freundlichkeit sehr dankbar, doch ich brauche jetzt keine so große Wohnung und so zahlreiche Dienerschaft mehr. Wenn Sie mir also behilflich sein wollen, so möchte ich Sie bitten, alles zu meinem Umzuge vorzubereiten und inzwischen alle unnötigen Möbel einpacken zu lassen. Wenn meine Schwester kommt, mag sie sehen, was sie damit anfangen will.«
    Agrippina Petrowna schüttelte den Kopf und erwiderte:
    »Wie, was sie damit anfangen will? Aber Sie brauchen das alles ja später noch.«
    »Nein, ich brauche es nicht mehr, Agrippina Petrowna, ich brauche es wirklich nicht mehr,« entgegnete Nechludoff. »Und dann sagen Sie auch bitte Kornej, ich würde ihm zwei Monate vorher bezahlen, und er könne sich schon heute eine andere Stellung suchen.«
    »Sie thun unrecht, so zu handeln, Dimitri Iwanowitsch; selbst wenn Sie die Absicht haben, ins Ausland zu gehen, brauchen Sie doch immer einen Platz, um Ihre Möbel abzustellen.«
    »Das denken Sie wohl selbst nicht, Agrippina Petrowna,« entgegnete Nechludoff lächelnd. »Außerdem gehe ich nicht ins Ausland, und wenn ich irgendwo hingehe, so trete ich eine ganz andere Reise an, als Sie vermuten können.«
    Bei diesen Worten überflog eine plötzliche Röte seine Wangen, und er dachte:
    »Ich muß ihr alles sagen, ich habe hier keinen Grund zum Schweigen und muß ihr die ganze Wahrheit sagen.«
    »Ich habe gestern etwas sehr Seltsames und sehr Ernstes erlebt,« fuhr er fort. »Sie erinnern sich wohl noch an die Katuscha, die bei meiner Tante Maria Iwanowna diente?«
    »Gewiß, ich habe ihr ja das Nähen beigebracht.«
    »Nun also! man hat sie gestern vor dem Schwurgericht, bei dem ich als Geschworener war, verurteilt.«
    »Ach, du lieber Gott, entsetzlich,« sagte Agrippina Petrowna, »und weswegen hat sie man sie verurteilt?«
    »Wegen Mordes ... Und ich bin an allem schuld!«
    »Was ist in der That sehr seltsam; aber wie können Sie denn an allem schuld sein?« »Ja, ich bin an alledem schuld, und dieses Ereignis hat alle meine Pläne umgestürzt.«
    »Was sagen Sie da?«
    »Gewiß, denn ich bin daran schuld, daß sie diesen Weg eingeschlagen hat, und darum muß ich ihr zu Hilfe kommen.«
    »Daran erkenne ich Ihr gutes Herz, Dimitri Iwanowitsch, doch von Ihrer Schuld ist bei alledem gar nicht die Rede, So was passiert einem jeden, und wenn jemand Vernunft hat, so läßt sich alles einrenken und vergessen, und das Leben geht weiter. Glauben Sie mir, es wäre Thorheit von Ihnen, wollten Sie sich dafür verantwortlich machen. Man hat mir schon lange gesagt, dieses Geschöpf wäre vom rechten Weg abgewichen, und die Schuld fällt nur auf sie allein zurück.«
    »Nein, nein, ich trage die Schuld, und ich muß sie auch gutmachen.«
    »Wie wollen Sie sie denn gut machen?«
    »Das werde ich schon sehen, das ist meine Sache. Doch wenn Sie Ihretwegen in Sorge sind, Agrippina Petrowna, so will ich Ihnen gleich sagen, daß meine Mutter in ihrem Testament bestimmt hat ...«
    »O nein, nein, meinetwegen bin ich nicht in Sorge. Die Selige hat mich so mit ihren Wohlthaten überhäuft, daß ich nichts mehr brauche. Ich habe eine Verwandte, die mich eingeladen hat, bei ihr zu leben; und wenn ich genau weiß, daß ich Ihnen nicht mehr dienlich sein kann, so werde ich zu ihr gehen. Doch ich muß Ihnen sagen, Sie thun unrecht, sich diese Sache so zu Herzen zu nehmen. So etwas ist jedem schon passiert.«
    »Ich denke eben darüber nicht wie Sie, und bitte Sie, alles zu meinem Umzuge vorzubereiten. Seien Sie nicht böse, Agrippina Petrowna, ich bin Ihnen auch für alles, was Sie für mich gethan haben, dankbar.«
    Merkwürdigerweise hatte Nechludoff von dem Augenblicke an, da er eingesehen hatte, er wäre ein Dummkopf und ein Schuft, aufgehört, die andern zu hassen und zu verachten. Im Gegenteil,
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