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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition)
Autoren: Lew Tolstoi
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Nechludoff, während er unwillkürlich mit der Frische des Windes einen widrigen Oelgeruch einatmete, der den Neubauten entströmte.
    In einer Straße stieß er auf Lastkutscher, die Eisenstangen fuhren und das Pflaster unter heftigem Eisengeklapper erbeben ließen. Dieser betäubende Lärm verursachte ihm Kopfschmerzen. Er lief, um die Lastfuhrwerke zu überholen, als er plötzlich mitten im Geklapper der Eisenstangen seinen Namen rufen hörte.
    Er blieb stehen und bemerkte einen korpulenten, elegant gekleideten Mann mit rotem Gesicht und hochgedrehtem Schnurrbart, der in einem Fiaker erster Klasse saß, ihm freundschaftliche Zeichen mit der Hand machte, ihm zulächelte und dabei Zähne von ungewöhnlicher Weiße zeigte.
    »Nechludoff? Du bist's?«
    Der erste Eindruck Nechludoffs war der des Vergnügens.
    »Sieh da, Tschembok!« rief er fröhlich, erkannte aber schon im nächsten Augenblick, daß für ihn kein Grund zu solcher Freude vorlag.
    Es war derselbe Tschembok, der ihn am Tage, nachdem er Katuscha verführt, von seinen Tanten abgeholt. Nechludoff hatte ihn seit langer Zeit aus dem Gesicht verloren; doch man hatte ihm gesagt, auch Tschembok habe das Regiment verlassen, lebe aber trotz seines Mangels an Vermögen und trotz seiner Schulden – man wußte nicht recht, wie – noch immer in der reichen Gesellschaft. Die Eleganz seiner Kleidung und der befriedigte Ausdruck seiner Züge bewiesen Nechludoff, daß man ihn nicht getäuscht hatte.
    »Das ist aber ein Glück, daß ich dich treffe! Auf Ehrenwort, es ist niemand mehr in der Stadt. Ach, mein Lieber, du bist aber alt geworden,« sagte der ehemalige Offizier, aus dem Wagen steigend. »Denke dir, ich habe dich nur an deinem Gange erkannt! Wir speisen zusammen, nicht wahr? Wo kann man denn hier anständig essen?«
    »Ich fürchte, ich kann deinen Vorschlag nicht annehmen,« versetzte Nechludoff, der nur nach einem Vorwand suchte, sich von seinem Kameraden zu verabschieden, ohne ihn zu verletzen. »Und du? was thust du hier?« fuhr er fort.
    »Ich, mein Lieber, ich bin hier in Geschäften! In Sachen meines Mündels, Denn du weißt doch, ich bin Vormund! Ich verwalte Samanoffs Güter. Du kennst doch den reichen Samanoff? Denke dir, er ist gehirnweich! 54+000 Dessjatinen Land!« fügte Tschembok mit ganz eigentümlichem Lächeln hinzu. »Das Ganze war in einer jammervollen Unordnung! Die Bauern hatten sich die Aecker angeeignet; sie bezahlten nicht, und das Defizit war ungeheuer! In einem Jahre habe ich alles wieder in Stand gesetzt, und die Güter bringen jetzt 70 Prozent mehr. Na, was sagst du dazu?« fragte er mit noch stärker ausgeprägtem Stolze.
    Nechludoff erinnerte sich, daß man ihm diese Geschichte allerdings erzählt. Gerade, weil er sein ganzes Vermögen vergeudet und bis an den Hals in Schulden steckte, war Tschembok gewählt worden, um das Vermögen eines alten kindisch gewordenen Millionärs zu verwalten.
    »Wie kann ich ihn nur los werden, ohne ihn zu verletzen?« dachte Nechludoff und betrachtete dieses rote und aufgedunsene Gesicht, in welchem ein von Kosmetik glänzender Schnurrbart prangte.
    »Na, wo wollen wir speisen?«
    »Heut' ist es mir wirklich unmöglich,« sagte Nechludoff und zog seine Uhr.
    »Wirklich? Na, dann höre! Heut' nachmittag findet ein Rennen statt. Du kommst doch?«
    »Nein, unmöglich!«
    »Aber doch, aber doch, du mußt kommen. Ich habe keine eigenen Pferde mehr, aber Grischin leiht mir eins von seinen. Weißt du, er hat einen prachtvollen Stall! Es ist also abgemacht, du kommst und wir soupieren zusammen!«
    »Auch das kann ich dir nicht versprechen,« versetzte Nechludoff lächelnd.
    »Dann also auf ein andermal! Und wo gehst du jetzt hin? Soll ich dich begleiten?«
    »Danke! ich gehe zu meinem Advokaten, ganz hier in der Nähe.«
    »Ach ja, du verbringst ja jetzt dein Leben in den Gefängnissen! Du besorgst Gänge für die Gefangenen! Ja, ich weiß, die Kortschagins haben es mir erzählt,« sagte Tschembok lachend. »Weißt du, daß sie schon abgereist sind? Na, erzähle mir die Sache doch!«
    »Ja, ja, das ist alles wahr,« versetzte Nechludoff. – »Aber es ist eine ziemlich verwickelte Geschichte, die sich nicht so auf der Straße erzählen läßt!«
    »Ach, alter Junge, du bleibst also immer noch ein Original? Aber gleichviel, ich erwarte dich heut' abend nach dem Rennen!«
    »Unmöglich, wirklich unmöglich! Du bist mir doch nicht böse?«
    »Keine Idee! Das Wetter wird jetzt kalt, nicht?«
    »Ja, ja!«
    »Na,
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