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Aufbruch der Barbaren

Aufbruch der Barbaren

Titel: Aufbruch der Barbaren
Autoren: Hugh Walker
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Böse nicht, aber die unheimliche Erscheinung flößte ihren abergläubischen Herzen Grauen ein. Doch sie hatten bereits zuviel an Grauen hinter sich, um vor einer einzelnen Gestalt zu fliehen, und wäre sie der Dämon selbst gewesen.
    Magh’Ullan tat unwillkürlich einen Schritt nach vorn, als er die hagere Figur erkannte.
    »Rhynnan«, murmelte er überrascht. Sein Vogt, den er als seinen Stellvertreter auf Ullanfort einsetzte – einen treuen, aufrechten Mann, einen Mann mit Verstand, der eine gute Klinge führte und Ullanfort gegen die Barbaren hätte verteidigen können, aber nicht gegen die Schergen der Dunklen Mächte.
    Magh’Ullan wußte nicht, was die Barbaren sahen, er hatte auch keinen Blick für sie. Seine durch früheres Training geschützten Sinne nahmen nur einen Toten wahr, der sich auf die unnachahmliche Art und Weise der Besessenen und Beschworenen bewegte. Er trug einen Umhang mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze, worunter hohle Augen und vermodertes Fleisch verborgen waren.
    Der Vogt winkte langsam.
    »Willkommen auf Burg Kyerlan«, sagte er mit einer schnarrenden Stimme, die an Grüfte erinnerte. »Mein Herr erwartet euch. Kommt.«
    »Kyerlan?« fragte Magh’Ullan. »Wir dachten, dies sei Ullanfort?«
    »Ullanfort?« wiederholte der tote Vogt unsicher. Er griff sich an den Kopf und schob dabei unbeabsichtigt die Kapuze zur Seite und enthüllte einen kahlen, modrigen Schädel. »Ullanfort? Ja, ich erinnere mich… es ist so lange her… und die Herren von Ullanfort sind längst nicht mehr. Der neue Herr ist Kyerlan, Priester Duldamuurs, und ich bin der Erste seines Gefolges. Ich bin Rhynnan. Aber nun folgt mir, mein Herr erwartet euch, nun da ihr so weit gelangt seit.«
    »Was tun wir?« fragte Nottr leise. »Es sieht aus wie eine Falle…«
    Magh’Ullan nickte. »Aber es ist der einfachste Weg in die Festung.«
    »Der Kerl sieht nicht vertrauenerweckend aus.«
    »Nur weil er tot ist«, erwiderte Magh’Ullan. »Er war ein guter Mann in meinen Tagen. Aber er ist alt geworden… so alt.« Mit zusammengepreßten Lippen fügte er hinzu: »Sie müssen ihn aus der Gruft geholt haben. Ich kenne Kyerlan nicht. Aber ich kenne Duldamuur. Er ist ein alter Feind. Nun geht es aufs Ganze. Laufen nützt nichts mehr. Stoßen wir die Lanze in den Rachen des Ungeheuers.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich werde mich Rynnans annehmen. Vielleicht kann ich alte loyale Bande in ihm wecken. Wir werden seine Hilfe brauchen.«
    Er sah, daß es Nottr mit Unbehagen erfüllte, und die übrigen nicht minder. Es würde nicht leicht werden mit diesen Barbaren.
    »Vorwärts«, sagte er, »wir nehmen die Einladung deines Herrn gern an. Wir haben mit ihm zu reden über das, was uns in seinen Wäldern widerfahren ist.«
    »Sein Interesse wird groß sein«, erwiderte der Vogt und schritt voran, und es war nicht zu deuten, ob er es ironisch meinte.
    Als Urgat-Magh’Ullan ihm folgte, setzten sich auch die anderen Lorvaner in Bewegung. Sie hatten ihre Fäuste an den Griffen der Waffen. Keiner zweifelte, daß er in eine Falle ging. Aber in dieser Falle gab es die magischen Waffen, die sie brauchten. Die Krieger vertrauten auf Nottr und Urgat. Lella ließ keinen Blick von Magh’Ullan, als erwarte sie jeden Augenblick, Urgat würde wieder zum Vorschein kommen, und das im kritischsten Augenblick. Und der Schamane hatte sich verwandelt. Seine Miene war starr, sein Mund ein schmaler Strich, seine Fäuste geballt in innerer Abwehr – denn er spürte die dämonischen Kräfte dieses Ortes und wußte, wie groß die Gefahr war, in der sie sich alle befanden. Die Geister, denen er verschworen war, hatten ihn verlassen, als hätten selbst sie Furcht. Er war noch nie so allein gewesen. Er hatte noch nie solche Furcht gefühlt. Die einzige Seele, der er sich in seiner Verlassenheit verbunden fühlte, war Magh’Ullan, und er wich nicht von seiner Seite.
    Als das große Tor sich hinter ihnen knarrend schloß, fuhren die Lorvaner mit halb erhobenen Waffen herum. Zwei Krieger in seltsamen Waffenröcken und Helmen, bewaffnet mit Speeren, standen davor. Ihre Gesichter lagen im Schatten ihrer Helme.
    »Leben sie?« fragte Nottr.
    Magh’Ullan schüttelte den Kopf. »Hier lebt niemand.«
    Sie schritten durch eine große, düstere Halle. Das einzige Licht kam von draußen durch die halb verfallenen Torflügel. Wenn sie durch die Düsternis um sich blickten, glaubten sie, noch andere reglose Gestalten zu erkennen. Am Ende der Halle stand eine lange Tafel.
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