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Auf vier Pfoten zur Millionenbeute

Titel: Auf vier Pfoten zur Millionenbeute
Autoren: Stefan Wolf
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Von erster Hilfe hatte er keine Ahnung. Das Zugpersonal zu alarmieren, daran dachte er nicht im Traum. Sicherlich wäre das auch dem Alten nicht recht gewesen. Wenn er ihm die Krawatte lockerte, würde der von allein wieder zu sich kommen.
    Hajo tat’s. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass der Zug bereits fuhr. Halten würde er, wie er wusste, bereits nach 21 Minuten, weil eine mittelgroße Stadt an der Strecke lag. Dass Hajo dort wieder ausstieg und den Bummelzug für die Rückreise nahm – war vorgesehen.Aber nun? Die Situation hatte sich geändert.
    He!, dachte er. Das ist es! Meine Gelegenheit! Endlich mal absahnen. Und zwar richtig! Jetzt schröpfe ich den Alten. Den IC habe ich verpasst. Kann ja vorkommen. Bin nie hier gewesen. Dass Lodkamp bestohlen wird – was kann ich dafür? So was passiert eben, wenn einem die Sinne schwinden. Und Ganoven gibt’s überall. Auch im Intercity.
    Er nahm Lodkamps Aktentasche, die mit Falschgeld voll gestopft war, stellte sie in seine Reisetasche und zog den Reißverschluss zu. Er nahm dem Alten die Brieftasche ab –mit viel Geld –,zog ihm die Uhr vom Handgelenk und fand auch den Schlüsselbund.
    Letzteres brachte ihn auf eine Idee. Soweit er wusste, lebte Lodkamp allein in einer pompösen Villa am Rande der Millionenstadt.
    Die Adresse, dachte Hajo, geht aus der Brieftasche hervor. Also bietet es sich an für den Dieb, die Villa zu plündern. Zumal er die Schlüssel hat. Was dort alles sein mag! Und der Vorsprung ist ausreichend – nein, groß. Denn heimkommt der Alte sobald nicht. Entweder er träumt noch lange und fährt weiter. Oder er wird zum Onkel Doktor gebracht.
    Hajo stopfte auch den Rest der Beute in seine Reisetasche. Leise öffnete er die Abteiltür. Er spähte auf den Gang. Niemand war zu sehen. Er trat hinaus, schloss die Tür und sockte eiligst zurück. Er hielt es für klug, möglichst viel Abstand zwischen sich und den Bewusstlosen zu bringen. Deshalb marschierte er durch sämtliche Wagen bis zum Ende des Zuges. Als er dort die verriegelte Stirnwand-Schiebetür erreichte, verlangsamte der IC bereits das Tempo.
    *
    Nicht zu fassen!, dachte Tim – und presste das Ohr an die Trennwand. Wie leise reden die denn? Da hört man ja gar nichts. Auch seine Freunde zuckten mit den Achseln. Man vernahm keinen Laut.
    Anfangs hatten sie Hajos Stimme gehört. Jetzt wurde offenbar nur gewispert. Die Minuten verstrichen. Tim wollte nicht riskieren, um die Ecke zu lugen. Vielleicht reisten Hajo und der Alte zum Geldfälscher-Hauptquartier. Dann hätte vorzeitige Entdeckung alles verdorben.
    Als sie 18 Minuten gefahren waren, wurde nebenan dieAbteiltür geöffnet. Eine Stimme sagte: »Guten Tag! Die Fahrkarten bitte!« Kurz darauf trampelten eilige Schritte. »Egal, jetzt sehe ich nach!«, meinte Tim.
    Was er nebenan sah, traf ihn wie ein Hammer. Hajo war verschwunden, die Aktentasche ebenfalls. Der Alte lag jetzt ausgestreckt auf den Sitzen. Anscheinend war er bewusstlos und der Schaffner hatte ihn in die vorgeschriebene Seitenlage gebracht. Jetzt wurde Hilfe geholt. Außerdem hielt der Zug gleich.
    Â»Dabei werden wir nicht gebraucht«, erklärte Tim seinen Freunden. »Wir kümmern uns um Hajo. Der muss noch im Zug sein. Aber vielleicht steigt er jetzt aus.«
    Tim öffnete ein Gangfenster.
    Der Zug fuhr in den Bahnhof ein. Bremsen quietschten. Er hielt. Tim streckte den Kopf hinaus. Nur eine Hand voll Reisende verließ den IC. Ganz am Ende sprang Hajo mit seiner Reisetasche auf den Bahnsteig.
    Er eilte zur Unterführung. Auf die Idee, sich umzublicken, kam er nicht. Weshalb auch? Außerdem hätte er seine Verfolger nicht bemerkt. TKKG ließen ihn zwar nicht aus den Augen, hielten aber sicheren Abstand.
    Als er zehn Minuten später auf Gleis 2 einen Personenzug bestieg, belegten Tim und seine Freunde – noch immer ohne Fahrkarten – im übernächsten Wagen die Plätze. Der Zug fuhr zur Großstadt zurück, hielt aber an sechs Stationen. Selbstverständlich waren TKKG jedes Mal sofort am bahnsteigseitigen Fenster – und passten auf. Aber Hajo stieg nicht aus, sondern wollte zurück zum Ausgangspunkt der Reise.
    Der Schaffner kam. TKKG mussten nachlösen. Dass sie bereits mit dem IC gefahren waren, verschwiegen sie geflissentlich. Es hätte die Abrechnung nur ungebührlich kompliziert.
    Draußen brach die Nacht an.
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