Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition)
Autoren: Marcel von Treppen
Vom Netzwerk:
klarem Himmel ungezählt viele Sterne sehen kann. Die Geschichte dieser Stadt kennt er nur am Rande. Südafrika hatte etwas mit der Rassengeschichte der Erde zu tun. In New Havanna und New Avignon gibt es keine unterschiedlichen Rassen. Die Haut der Südländer ist nur ein bisschen dunkler. In dieser Stadt müssen Hunderttausende von Menschen gelebt haben. Sie ist größer als jede Stadt von New Avignon. Er versucht die Architektur der Häuser in sich aufzunehmen; vielleicht hat hier ein quirliges, freies Leben stattgefunden, an dem er nicht mehr teilhaben kann. Eine Zeit lang ist er Zickzack gelaufen, ohne die Absicht möglichst schnell ans Meer zu gelangen. Im Grunde ist ihm egal, dass er Probleme haben wird, den Weg zurück zum Lager zu finden, insbesondere wenn es Nacht ist, denn in der Nacht ist die Stadt dunkel. Die Straßenlampen sind zwar präsent wie die Häuser, sie bleiben aber aus. Sie werden sich vielleicht langsam um ihn Sorgen machen, wenn er in der Nacht immer noch nicht im Lager ist. Ein Funkgerät hat er nicht mitgenommen, ihm war mehr nach Schnaps und Zigaretten. Irgendwann wählt er den direkten Weg zum Meer, gelangt an einen wunderbaren Strandabschnitt mit Blick auf den Tafelberg und eine Bucht. Ein paar Robben faulenzen am Strand. Er nimmt einen ersten Schluck Alkohol, nach Jahren sozusagen. Der Geschmack erweist sich als widerlich, muss mit dem einer Zigarette bekämpft werden. Es ist aber gar nicht so einfach, bei dem nur mäßigen Wind sich eine anzuzünden. Schließlich gewöhnt er sich an den Geschmack des Fusels, dessen Geist sich in seinem Hirn festsetzt. Dieses Meer ist wunderbar, zeigt sich jedenfalls heute von seiner friedlichen Seite. Er verspürt eine Lust zu schwimmen, aber das Wasser ist ihm dann doch zu kalt, zumal die Temperaturen die zwanzig Grad kaum überschreiten. Erinnerungen überkommen ihn, während er auf die Bucht starrt. Er wehrt sich nicht dagegen. Hier beginnt sein weiteres neues Leben. Er wird nicht in die Wüste gehen, hofft, dass Vanessa und Paul ebenso entscheiden. Er wird hier noch viele Sonnenuntergänge erleben, mit den anderen hier abends Fisch grillen. Die Sonne verabschiedet sich langsam von Kapstadt. Ein funkelnder Stern erscheint, der Abendstern. Ein bisschen Hoffnung spendend, obgleich Helena tausendfach heller geschienen hat.
     
     
     
                                           - 17 -
     
    New Avignon lag unter einer Schneedecke. Selbst hier in Athens lag etwas davon, was für diese Stadt mit ihrem milden Klima auch in kälteren Winter eher ungewöhnlich ist. Trotzdem begab ich mich hin und wieder ans Meer, das auch in seiner grauen Manifestation seinen Reiz für mich nicht verlor. Ich freute mich auf wärmere Frühjahrstage, wenn ich mich, gut ausgerüstet mit einer Flasche
    Wein, in den Dünen niederlassen könnte, um Gedanken nachzuhängen. Nach Sonnenuntergang begab ich mich dann in die Kneipen der Stadt. Dies alles war nicht verboten, was mich eigentlich wunderte. Am Strand waren vergleichsweise wenig Überwachungskameras montiert, was mir den Ort sympathischer machte, obgleich die Kameras gewissermaßen schon Sinn machten, nämlich unsittliches Verhalten und Unzucht zu verhindern. Keine Frau dieser Stadt wäre wohl auf diesen Gedanken gekommen, aber was wusste ich schon von Frauen. Ich war gerne auch bei diesen kälteren Temperaturen draußen. Der Schnee würde nicht lange liegen bleiben, dafür sorgte schon die ozeanische Lage. Die Fußgängerwege waren gestreut und die großen Straßen praktisch frei, kein Hindernis für die Automobile, nur die kleinen Gassen waren etwas matschig oder hatten noch eine geschlossene Schneedecke. Ich genoss den unbekannten, seltenen Anblick, die ungewohnte Atmosphäre, ohne aber die Kameras zu vergessen, die mich Schritt und Tritt begleiteten und vor denen ich mich am liebsten – bei jeder – scheinheilig verbeugt hätte. War ich ein Subjekt oder, wenn man so will, ein Objekt von Interesse? Es mussten irgendwo unzählige Filmrollen geben, auch jede Menge Material mit mir und ein ausgeklügeltes System wurde wohl eingesetzt, um die Rollen zu verwalten, zu archivieren oder zu sichten. Ich hatte ein großes Interesse für diese Perversion, es wäre der richtige Aushilfsjob für mich gewesen, im Zentrum der neokatholischen Überwachungsgesellschaft von New Avignon. Opportunistisch, wie ich war und in dieser Gesellschaft konnte man nur überleben, wenn man dies war, hätte ich fast
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher